Graf von Winterthur
Graf von Winterthur war im 10. und 11. Jahrhundert der Titel einiger Mitglieder des Geschlechts der Udalrichinger. Adelheid von Winterthur wurde als mutmassliche letzte Vertreterin des «Geschlechts» Stammmutter der Grafen von Kyburg.
Geschichte
Der erste Vertreter des Geschlechts war Liutfried, ein Sohn des Grafen Ulrich VI. von Bregenz. Aus der Chronik des Klosters Peterhausen geht hervor er sich die Rechte über die Herrschaft Winterthur gegenüber seinen Brüdern Ulrich VII., Gebhard (dem späteren Bischof von Konstanz) und Adalbert in der Mitte des 10. Jahrhunderts gesichert haben soll.
Als Söhne von Adalbert lassen sich in verschiedenen Quellen Adalbert I. sowie Liutfried finden. Aus wurde von Kläui angenommen, dass es sich beim als Rebellen bekannten Werner von Kyburg um einen Sohn Adalberts gehandelt haben dürfte. Während Adelbert als erster Sohn den Titel als Graf von Kyburg erbt, wird Liutfried III. als Graf von Mörsberg genannt, womit wohl die heutige Mörsburg gemeint sein dürfte. Der Titelträger Adalbert fiel im Sommer 1030 bei der Burg Falkenstein, als er an der Seite von Ernst II. von Schwaben in eine Fehde gegen den Konstanzer Bischof zog. Es ist anzunehmen, dass die Udalrichinger und damit die Grafen von Winterthur nach dieser Niederlage Besitztümer in der Region Winterthur an die Nellenburger verloren.
Der nächste Graf von Winterthur war Werner I., Sohn des Adalberts, der sich zunächst von Maden nannte. Er vermählte sich mit Irmgrad aus dem Geschlecht der Nellenburger, wodurch dieser mutmasslich wieder zu Besitzungen in Winterthur und dem Thurgau gekommen sein dürfte, die später die Grundlage der Grafschaft Kyburg bildeten. Gemäss Kläui nahm er nach dem Tod seines Vaters 1030 den Titel Graf von Winterthur an. Er fand 1040 als Reichsbannerträger in der Schlacht bei Biwanka in Westböhmen seinen Tod.
Sein Sohn Adalbert II. von Winterthur beerbte ihn als Graf von Winterthur. Sein Bruder Liutfried starb im Böhmenkrieg, die durch eine Schenkung Adalberts zusammen mit seiner Mutter an das Kloster Einsiedeln belegt ist. Mit seinem Tod am 18. Juni 1953 zusammen mit seinem Bruder Werner bei der Schlacht von Civitate starb der letzte bekannte Vertreter des Geschlechts in der männlichen Linie aus.
Als letzte Vertreterin des Geschlechts wird Adelheid von Winterthur angesehen, die sich mit Hartmann I. von Dillingen vermählte. Ob sie die Tochter oder gemäss Eugster eher Enkelin Adalberts war, ist nicht gesichert.[1] Adalbert wird im Nekrolog des Klosters Neresheim als «avus» der Adelheid bezeichnet, was gemäss Kläui sowohl Ahne wie auch Grossvater bedeuten könnte.[2] In der Chronik des Klosters Peterhausen wiederum wird sie als Tochter Adalberts geführt.[1] Mit Hinweis auf die damals noch nicht geklärten Besitzverhältnisse der Udalrichinger im Raum Winterthur setzte Eugster Adelheid mit den Nellenburger in Verbindung. Wie auch immer kamen die Dillinger dadurch nach Ableben der letzten Herren von Winterthur zu Besitztümer im Thurgau. Hartmann I. nahm zusammen mit Adelheid Wohnsitz auf der Kyburg, Adelheid wurde dadurch zur Stammmutter der Grafen von Kyburg.
Der Sitz der Grafen von Winterthur ist nicht gesichert. Insbesondere von Kaspar Hauser wurde der Winturm als Sitz des Geschlechts in Betracht gezogen, anderseits kam das Geschlecht sicher später in Besitz der Kyburg.[3]
Erforschungsgeschichte
Erste grössere Publikationen zu den Grafen von Winterthur stammen von Paul Kläui, der 1960 über die Adelsherrschaften im Zürichgau schrieb und die Grundlage für viele der nachfolgenden Literatur zu diesem Thema bildete. Er wies dabei unter anderem auf Fehler in der Chronik Peterhausen hin, dass die Abstammung der Herren von Winterthur beschrieb. Seine Erkenntnisse sind jedoch in der neueren Forschung umstritten. Kläui ordnete den Grafen von Winterthur auf Basis einer Urkunde aus dem Jahr 1044 einen grossen Besitzkomplex zu, wie er im europäischen Adel zu dieser Zeit einmalig gewesen wäre. Insbesondere ordnete er dabei gemäss Erwin Eugster fälschlicherweise Willebirg von Embrach einer Namensvetterin aus dem Geschlecht der Ebersberger zu und holte dabei gemäss Eugster «die Belege für seine Behauptungen gar weit her».[4] Die Quellenlage zur Herrschaftsgeschichte Winterthurs zu dieser Zeit wird in der 2014 erschienen Stadtgeschichte Winterthurs unter anderem als «sehr diffus» bezeichnet.[5]
Ebenfalls nahm die Archäologin Renata Windler bei einem Vortrag unter Berücksichtigung von zwei Grabschnitten an, dass die Stadtkirche Winterthur unter Einfluss jener Grafen um die Jahrtausendwende zu einer Adelsgrablege ausgebaut wurde.[6]
Titelträger
Als Grafen von Winterthur waren in chronologischer Reihenfolge bekannt:
- Liutfried II. von Winterthur (* um 930), Sohn Ulrichs VI. von Bregenz, Graf von Winterthur-Bregenz
- Adalbert I. von Winterthur (* um 950; † 8. September 1030), Sohn Liutfrieds II. von Winterthur, Graf von Winterthur
- Werner I. von Winterthur bzw. Werner I. von Maden (* um 990; † 22. August 1040), Sohn Adalberts I. von Winterthur, Gaugraf im Hessengau, ab 1030 auch Graf von Winterthur, Reichsbannerträger
- Adalbert II. von Winterthur (* um 1025; † 18. Juni 1053 bei Civitate), zweiter Sohn Werners I. von Maden und letzter Graf von Winterthur
Stammbaum
Der folgende Stammbaum folgt im Aufbau jenem, der von Brunner 2021 in Geschichte zur Mörsburg publiziert wurde und basiert auf verschiedenen mehr oder weniger gesicherten Quellen[7]. Ergänzt wurden die weiteren, namentlich bekannten Söhne Werner I.:
Liutfried I. (II.) Graf von Winterthur und Bregenz (~930–970) | |||||||||||||||||||||||||||||
Adalbert I. Graf von Winterthur (~960–1030) | Liutfried III. von Mörsberg? (* ~970) | Werner Anm1 von Kyburg? (* ~980) | |||||||||||||||||||||||||||
Werner I. (Maden) Graf von Winterthur (~1000–1040) | Irmgrad von Nellenburg (990–1053) | ||||||||||||||||||||||||||||
Werner II. Graf von Maden (~1020–1053) | Adalbert II. Graf von Winterthur (~1025–1053) | Liutfried (gest. 1040) | Hermann Anm2 Abt von Einsiedeln (1051–1065) | ||||||||||||||||||||||||||
Adelheid Anm3 von Winterthur (~1050–nach 1125) | Hartmann I. von Dillingen-Kyburg (~1040–1121) | ||||||||||||||||||||||||||||
Literatur
- Paul Kläui: Hochmittelalterliche Adelsherrschaften im Zürichgau (= Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Band 40, Heft 2). Druck Leemann AG, Zürich 1960, ISBN 3-905278-68-5, S. 38–48.
- Erwin Eugster: Adlige Territorialpolitik in der Ostschweiz. Chronos Verlag, Zürich 1991, ISBN 3-905278-68-5, S. 20–37.
- Hanjörg Brunner: Die Mörsburg bei Winterthur. Mattenbach Verlag, Winterthur 2021, ISBN 978-3-905172-80-5, S. 13–26.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Erwin Eugster: Adlige Territorialpolitik in der Ostschweiz. Chronos Verlag, Zürich 1991, S. 26&27.
- ↑ Paul Kläui: Hochmittelalterliche Adelsherrschaften im Zürichgau (= Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Band 40, Heft 2). Druck Leemann AG, Zürich 1960, ISBN 3-905278-68-5, S. 44.
- ↑ Erwin Eugster: Adlige Territorialpolitik in der Ostschweiz. Chronos Verlag, Zürich 1991, ISBN 3-905278-68-5.
- ↑ Erwin Eugster: Adlige Territorialpolitik in der Ostschweiz. Chronos Verlag, Zürich 1991, S. 24–26.
- ↑ Renata Windler: Vitudurum und Vitudure - von den Anfängen bis zur Stadt um 1300. In: Winterthurer Stadtgeschichte. Band 1. Chronos Verlag, 2014, ISBN 978-3-0340-1212-6, S. 50&51.
- ↑ Peter Niederhäuser: Und es ward eine Stadt. In: Der Landbote. Band 177, Nr. 57, 10. März 2014, S. 9.
- ↑ Hanjörg Brunner: Die Mörsburg bei Winterthur. Mattenbach Verlag, Winterthur 2021, S. 16.
- ↑ Erwin Eugster: Adlige Territorialpolitik in der Ostschweiz. Chronos Verlag, Zürich 1991, S. 31.
- ↑ Erwin Eugster: Adlige Territorialpolitik in der Ostschweiz. Chronos Verlag, Zürich 1991, S. 27–29.