Garifuna

Traditionelle Tanzgruppe der Garifuna

Garifuna (Garifuna-Sprache „Yams­esser“, Plural Garinagu) sind eine Volksgruppe mit über 100.000 Angehörigen in Zentralamerika und den USA. Sie ging aus der Vereinigung ehemaliger Sklaven aus Westafrika und indigenen Kariben hervor, die ab dem 17. Jahrhundert auf der Karibikinsel St. Vincent stattfand.

Herkunft und Geschichte

Der Zusammenschluss der beiden Bevölkerungsgruppen nahm vermutlich 1635 seinen Anfang, als bei St. Vincent zwei Sklavenschiffe Schiffbruch erlitten. Die Afrikaner konnten fliehen, wurden von den Inselkariben (Kalipona) aufgenommen und vermischten sich mit ihnen. Die Kariben waren zuvor selbst mit den von ihnen einst unterworfenen Arawak verschmolzen.

Die weitere Geschichte der Vorfahren der Garifuna auf St. Vincent war von der französisch-englischen Konkurrenz im karibischen Raum geprägt und besonders von der Sklavenwirtschaft: Die Garifuna, die es nicht zuletzt aufgrund der französisch-englischen Konkurrenz immer wieder schafften, ihre Unabhängigkeit zu bewahren, und die mit den französischen Siedlern weitgehend friedlich zusammenlebten, wurden nach der endgültigen britischen Inbesitznahme der Insel 1795 und der damit einhergehenden Ausbreitung der Sklavenwirtschaft (auf Zuckerrohrplantagen) von den Kolonialherren und neuen Kolonisten argwöhnisch betrachtet, da sie ein Beispiel freier Schwarzer vor Augen führten. Kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Briten auf der einen Seite und Garifuna sowie Franzosen auf der anderen (Karibenkrieg) endeten 1796 mit der vollkommenen Niederlage von Garifuna und Franzosen. Die besiegten Garifuna wurden – zusammen mit einigen aufständischen Sklaven – zunächst auf die nahegelegene Insel Baliceaux deportiert, wo mehr als 50 % der Gefangenen starben. Daher wurden am 20. Februar 1797 2248 „schwarze Kariben“ (Black Caribs) von den Engländern von Baliceaux auf die Insel Roatán vor der honduranischen Küste umgesiedelt. Von hier aus verbreiteten sich die Garifuna auf den Bay Islands. Um 1832 wanderten viele Garifuna nach Belize aus.

Kultur

Garifuna bei einem Straßenfest am Jahrestag des heiligen Isidor in Livingston, Guatemala

Ihre Sprache Garifuna, auch Igñeri, gehört zur indigenen amerikanischen Arawak-Sprachfamilie und zeigt im Wortschatz indigene karibische, französische und englische sowie in neuerer Zeit regional auch spanische Einflüsse. Die vereinzelten afrikanischen Einflüsse im Igñeri entstammen am ehesten dem Yoruba in Südwestnigeria. Es gibt mindestens 50 Wörter, die sich unterscheiden, je nachdem, ob da ein Mann oder eine Frau spricht: Beim Mann heißt „nein“ inó, bei der Frau ud. Die Zahlwörter sind – mit Ausnahme von „eins“ und „zwei“ – französischen Ursprungs: seingu für „fünf“ (cinq), sisi für „sechs“ (six) oder dusu für „zwölf“ (douce). Aus dem Englischen stammen dänki (thank you) oder wata (water). Die Mehrheit der männlichen Wörter und grammatischen Besonderheiten stammt aus dem karibischen Galibi, die weiblichen Varianten sind meist aus dem Igneri übernommen.[1]

Die religiös-kulturelle Überlieferung ist überwiegend (west)afrikanisch. Karibischer Herkunft sind neben der Sprache offenbar bestimmte Tanzformen wie der Kreistanz und zum Teil der Punta-Tanz, bestimmte Sagen sowie einzelne rituelle Praktiken, die man heute noch in ähnlicher Form bei bestimmten Amazonasstämmen findet. Andere religiöse Gebräuche und Überlieferungen sowie die Parranda-Musik zeigen enge Verwandtschaft mit alten westafrikanischen Kulten und Praktiken (der Yoruba, der Mandé oder der Aschanti). Hierzu gehört die Ahnenverehrung, die sich in einem drei bis vier Tage dauernden Ritual namens Dügü äußert, in welchem die Ahnengeister heraufbeschworen werden.[2] Die ethnologischen Debatten zur Herkunft einzelner Überlieferungen sind gleichwohl noch im Fluss und unterliegen zum Teil dem schwankenden Interesse, eine eher alte afrikanische (also importierte) oder eine eher alte indianische (also autochthone) Herkunft zu postulieren.

Sprache, Tanz und Musik der Garifuna wurden von der UNESCO 2001 als ein Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit anerkannt und 2008 in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.[3]

Heutige Situation

Die über 100.000 Garifuna leben heute in Belize, wo sie bis zu 7 % der Bevölkerung ausmachen, in Guatemala, Honduras und Nicaragua mehrheitlich als Fischer an der Küste sowie als Arbeiter im Bananenanbau. Zahlreiche Garifuna (Garinagu) leben außerdem als Einwanderer in den USA, hauptsächlich in der Stadt New York.

In den letzten Jahren wird die Kultur der Garifuna auch immer mehr von der Tourismusbranche entdeckt. Die heutigen Garifuna sprechen Igñeri sowie, je nach Land, Englisch oder Spanisch.

Um die Repräsentation (auch) der Interessen der Garifuna bemühen sich laut Garifuna.com besonders folgende Organisationen:

  • ODECO (Organización de Desarrollo Étnico Comunitario)
  • OFRANEH (Organización Fraternal Negra Hondureña)
  • ONECA (Organización Negra Centroamericana/Central American Black Organization)

Siehe auch

  • Zambo
  • Afrokolumbianer
  • Indigene Völker Mittelamerikas und der Karibik

Literatur

  • Ève Demazière: Les cultures noires d'Amérique Centrale. Karthala, 1994.
  • Barbara A.T. Flores: Religious education and theological praxis in a context of colonization: Garifuna spirituality as a means of resistance (Ph.D. Dissertation, Garrett/Northwestern University, Evanston, Illinois), 2001.
  • N. L. Gonzalez: The Garifuna of Central America. In: Samuel M. Wilson (Hrsg.): The Indigenous People of the Caribbean. S. 197–205, 1997.
  • Salvador Suazo: Conversemos en garífuna. Tegucigalpa 1994.

Weblinks

Commons: Garifuna – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Matthias Heine: Gendern: Wo Männer und Frauen verschiedene Sprachen benutzen. In: DIE WELT. 31. März 2021 (welt.de [abgerufen am 31. März 2021]).
  2. Oliver N. Greene: The "Dügü" Ritual of the Garinagu of Belize: Reinforcing Values of Society Through Music and Spirit Possession. In: Black Music Research Journal, Vol. 18, No. 1/2 Frühjahr–Herbst 1998, S. 167–181
  3. http://www.unesco.org/culture/ich/index.php?lg=en&pg=00011&RL=00001

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