Wann verließ der moderne Mensch Afrika

Presseldung vom 25.03.2013

Der moderne Mensch hat seinen Siegeszug über die ganze Welt vor möglicherweise weniger als 95.000 Jahren angetreten.


Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forscherteam unter Federführung von Prof. Dr. Johannes Krause von der Universität Tübingen, bei dem das berühmte „Doppelgrab von Oberkassel“ eine wichtige Rolle spielte. Im Februar 1914 entdeckten Steinbrucharbeiter an der Rabenlay in Bonn-Oberkassel die Skelette einer etwa 20 Jahre alten Frau und eines 40 bis 45-jährigen Mannes, Reste eines Hundes, Kunstgegenstände und weitere Tierknochen eingebettet in rötlich verfärbtes Sediment. Unter dem Begriff „Doppelgrab von Oberkassel“ ging der Fund später als wissenschaftliche Sensation in die Geschichte ein.


Doppelgrab von Oberkassel: Die Skelette wurden im Februar 1914 zusammen mit den Resten eines Hundes, Kunstgegenständen und weiteren Tierknochen bei Steinbrucharbeiten an der Rabenlay gefunden. Die rund 14.000 Jahre alten Menschenfossilien halfen nun bei der Datierung, wann der moderne Mensch Afrika verließ.

Publikation:






Untersuchungen mit der Radiokarbon-Methode ergaben ein Rekordalter von rund 14.000 Jahren. Damit handelt es sich bei den Skeletten aus der Späteiszeit um den ältesten Fund des modernen Menschen (Homo sapiens) in Deutschland. Derzeit werden die Knochen einer groß angelegten wissenschaftlichen Neuuntersuchung unter Federführung des LVR-Landesmuseums Bonn unterzogen - und machen erneut Furore.

Oberkasseler-Fund schließt wichtige Lücke in der Zeitreihe

In einer aktuellen Studie zur Berechnung der Mutationsrate der mitochondrialen DNA, die der Paläogenetiker Prof. Dr. Johannes Krause von der Universität Tübingen federführend durchführte, schließt der Oberkasseler Fund eine wichtige Lücke. In Form einer Zeitreihe untersuchten die Forscher die Erbsubstanz mehrerer fossiler Menschen, die vor rund 700 bis 40.000 Jahren lebten. „Die Oberkasseler Skelette sind in dieser Reihe die einzigen, die aus dem Zeitraum um 14.000 Jahre stammen“, berichtet Mitautorin Liane Giemsch, die für das LVR-LandesMuseum in Bonn und die Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie der Universität Bonn im Oberkassel-Projekt forscht. Mit dieser Zeitreihe von insgesamt zehn Fossilien aus Europa und Ostasien beantworteten die Wissenschaftler die Frage, wann der moderne Mensch von Afrika aus seinen Siegeszug über die ganze Welt angetreten hat.

Vor weniger als 95.000 Jahren erste moderne Menschen außerhalb Afrikas

Mithilfe von Analysen der insgesamt zehn Menschenfossilien berechneten die Wissenschaftler, dass der Auszug aus Afrika nach den aktuellen Ergebnissen des internationalen Forscherteams vor frühestens 95.000 Jahren stattfand. Wann sich zwei Entwicklungslinien von einem gemeinsamen Vorfahren abgespalten haben, lässt sich mit der „Molekularen Uhr“ nachvollziehen. Diese Methode erfasst durch den Vergleich mehrerer Individuen die Zahl der stattgefundenen Erbgutveränderungen (Mutationen). Je weiter sich zeitlich die Entwicklung von dem gemeinsamen Vorfahren entfernt, desto mehr Mutationen häufen sich in den Individuen an.

Wie schnell tickt die Molekulare Uhr?

Um die Zeitpunkte der jeweiligen Abspaltung neuer Entwicklungslinien zu bestimmen, mussten die Forscher herausbekommen, wie schnell die „Molekulare Uhr“ tickt. Die Zahl der Mutationen in den jeweiligen Fossilien erfassten die Forscher durch Sequenzierung der DNA in den Mitochondrien, den „Kraftwerken der Zellen“. „Vom Oberkasseler Paar wurden hierfür Proben aus Oberarm und Zahnwurzeln entnommen“, berichtet Giemsch. Zusammen mit dem Alter des jeweiligen Fossils, das zuvor mit der Radiokarbon-Methode analysiert worden war, ließ sich die Mutationsrate bestimmen. Damit wurde die Molekulare Uhr für die Funde geeicht. „Zwischen den Resultaten aus Studien an modernen Familien und unserer Studie an alter DNA ergibt sich eine deutliche Diskrepanz“, sagt Prof. Krause. „Der Grund dafür könnte darin bestehen, dass in den Studien an modernen Familien Mutationen übersehen wurden, was zu einer Unterschätzung der Mutationsrate führt. Außerdem ist es möglich, dass sich die Mutationsrate innerhalb einer Generation im 21. Jahrhundert von der von uns berechneten über 2.000 Generationen in den letzten 40.000 Jahren unterscheidet.“

Genetische Studien ermöglichen neues Bild vom Oberkasseler Paar

„Die aktuellen Ergebnisse decken sich weitgehend mit den Ergebnissen archäologischer und anthropologischer Studien“, sagt die Wissenschaftlerin des LVR-LandesMuseums und der Universität Bonn. „Die Zahlen liefern nun ein klareres zeitliches Bild vom modernen Menschen und seiner Ausbreitung aus Afrika.“ Zudem gewähren die genetischen Studien des internationalen Forscherteams neue Einblicke in das Oberkasseler Paar. Giemsch: „Wir wissen nun, dass beide nicht so eng miteinander verwandt waren, wie Geschwister es sind.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt


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