Neandertaler konnten definitiv sprechen
Eine neue Forschungsarbeit beleuchtet die Ursprünge der Sprache
Wir heutigen Menschen glauben aus verschiedenen Gründen, dass wir einzigartig sind, nicht zuletzt wegen unserer Fähigkeit, mit Worten zu kommunizieren. Aber eine neue, bahnbrechende Forschungsarbeit eines Experten von der University of New England (UNE) zeigt, dass unsere "missverstanden Vettern", die Neandertaler, sich mit einer Sprache verständigen konnten, die unserer heutigen gesprochenen Sprache nicht unähnlich war.
Publikation:
Ruggero D’Anastasio, Stephen Wroe, Claudio Tuniz, Lucia Mancini, Deneb T. Cesana, Diego Dreossi, Mayoorendra Ravichandiran, Marie Attard, William C. H. Parr, Anne Agur, Luigi Capasso
Micro-Biomechanics of the Kebara 2 Hyoid and Its Implications for Speech in Neanderthals
PLoS ONE
DOI: 10.1371/journal.pone.0082261
Den Ursprung und die Entwicklung der Sprache, sowie die anatomischen Vorraussetzungen für selbige, ist in der wissenschaftlichen Welt eins der heftigsten und am meisten diskutierten Themen. Lange wurde angenommen, dass anderen Menschenarten, einschließlich den Neandertalern, mit denen der moderne Mensch in Europa viele Jahrtausende Seite an Seite lebte, einfach die kognitiven Fähigkeiten und die "vokale Hardware" für eine differenzierte, artikulierte Sprache fehlten.
Stephen Wroe ist außerordentlicher Professor für Zoologe und Paläontologe an der UNE. Zusammen mit einem internationalen Team von Wissenschaftlern hat er nun unter Einsatz von 3D-Röntgenbildtechnik an dem 1989 in Israel entdeckten, 60.000 Jahre alten Neandertaler-Zungenbein eine revolutionäre Entdeckung gemacht, die alte Vorstellungen über den Haufen werfen könnte.
"Für viele war das Zungenbein des Neandertalers aus Kebara (Fundbezeichnung Kebara 2) eine Überraschung, weil es ganz anders aussah als bei unseren nächstenlebenden Verwandten, den Schimpansen und Bonobos. Man konnte es vom Zungenbein eines modernen Homo sapiens praktisch nicht unterscheiden, was zu der Annahme führte, dass dieser Neandertaler sprechen konnte", sagt Professor Wroe.
"Das offensichtliche Gegenargument zu dieser Behauptung war, dass die Tatsache, dass das Neandertaler-Zungenbein die gleiche Form wie bei modernen Menschen hat, nicht unbedingt bedeuten muß, dass es auch in der gleichen Weise eingesetzt wurde. Mit der Technologie zur Zeit der Entdeckung von Kebara 2 (1989) war es schwer, diese berechtigten Argument zu überprüfen, sei es zugunsten der einen oder der anderen Richtung."
Doch die Fortschritte in der 3D-Bildverarbeitung und dem Computer-Modelling erlaubten dem Team um Professor Wroe nun, die Frage erneut zu überdenken.
"Durch die Analyse des mechanischen Verhaltens von versteinerten Knochen mit der Technik des Mikroröntgen-Bildgebungsverfahrens waren wir in der Lage, Modelle des Zungenbeins anzufertigen, die auch die komplexen, inneren Strukturen wiedergeben. Dann verglichen wir das Ergebnis mit Modellen des Zungenbeins von modernen Menschen. Unsere Vergleiche zeigten, dass sich das Zungenbein des Homo neanderthalensis in Bezug auf das mechanische Verhalten grundsätzlich nicht von dem eines Homo sapiens unterscheidet, was stark darauf hindeutet, dass dieser wichtige Bestandteil des Vokaltrakts in der gleichen Weise verwendet wurde.
"Aus dieser Forschungsarbeit können wir schließen, dass die Ursprünge der Sprache und ihre anatomischen Voraussetzungen weit, weit älter sind, als man bisher dachte."
Diese Newsmeldung wurde mit Material Science daily erstellt