Jäger und Sammler der Steinzeit trugen zur besseren Anpassung der Europäer bei

Presseldung vom 20.03.2016

Umweltanpassungen in den Genen der Europäer stammen größtenteils eher von Jägern aus der Steinzeit als von Bauern.


Moderne Menschen haben sich im Laufe von vielen Tausend Jahren an ihre Umwelt angepasst. Doch wie genau verschiedene Varianten des Erbguts zu dieser Anpassung beigetragen haben, war lange umstritten. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben nun das Erbgut von Menschen analysiert, die vor 45.000 bis 7.000 Jahren gelebt haben. Die Analysen zeigen, dass die Anpassung an lokale Umweltbedingungen zu einem gehäuften Vorkommen bestimmter Genvarianten in Europäern geführt hat. Interessanterweise traten die meisten dieser adaptiven Varianten bereits bei frühen Jägern und Sammlern auf, jedoch nicht bei frühen Bauern. Jäger und Sammler, die mehrere Tausend Jahre vor Auftreten der Bauern in Europa lebten, waren also an die Umweltbedingungen vor Ort angepasst und haben diese Genvarianten an heute lebende Europäer weitergegeben.


Angehörige der Hadza, eines der letzten Völker, die als Jäger und Sammler leben.
Foto: Idobi, wikimedia.org, Lizenz: CC-BY-SA

Publikation:


Felix M. Key, Qiaomei Fu, Frédéric Romagné, Michael Lachmann and Aida M. Andrés
Human adaptation and population differentiation in the light of ancient genomes
Nature Communications, 18. März 2016

DOI: 10.1038/NCOMMS10775



Genetisch betrachtet unterscheiden sich einzelne Menschen nur geringfügig voneinander. Zudem haben die meisten dieser Unterschiede keine Auswirkungen auf das Erscheinungsbild oder den Fortpflanzungserfolg. Daher blieb lange unklar, welche Rolle die Anpassung an lokale Umweltbedingungen bei der unterschiedlichen Entwicklung von Populationen spielt.

Das Genom eines 45.000 Jahre alten modernen Eurasiers aus Ust‘-Ishim in Russland hat Forschern vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie jetzt dabei geholfen, die wenigen genetischen Varianten zu untersuchen, die sich bei Afrikanern und Nicht-Afrikanern besonders häufig unterscheiden. „Als wir das erste Mal von der Entschlüsselung des Ust‘-Ishim-Genoms hörten, waren wir sofort begeistert“, sagt Aida Andrés, die das Forscherteam leitete. „Dieses Individuum ist für uns so wertvoll, weil es Informationen über die genetische Beschaffenheit seiner Population enthält, die kurz zuvor aus Afrika ausgewandert war. Diese Menschen hatten noch keine Zeit, sich an die Umwelt in Europa und Asien anzupassen.“

Andrés Team entdeckte, dass etwa 70 Prozent der Genomvarianten, die sich zwischen Afrikanern und Nicht-Afrikanern besonders häufig unterscheiden, zufällige Veränderungen sind. Diese könnten aufgetreten sein, als eine eher kleine Population vor über 50.000 Jahren aus Afrika auswanderte. Weniger als 30 Prozent dieser Varianten traten während oder unmittelbar nach der Besiedlung Europas auf. Diese Varianten liegen besonders oft an solchen Stellen im Genom, die vermutlich für Proteine kodieren oder die Genaktivität regulieren. Einige von ihnen kamen also möglicherweise gehäufter vor, weil sie ihren Trägern bei der Anpassung an lokale Umweltbedingungen Vorteile brachten.

Genetisch mehr Jäger als Bauer

Weitere Details lieferten den Forschern die Genome weiterer Frühmenschen aus Europa. So konnten die Wissenschaftler belegen, dass frühe Jäger und Sammler eine größere Anzahl der sich in Europa schnell ausbreitenden Genvarianten besaßen als frühe Bauern. „Obwohl die Neolithische Revolution mit dem Ackerbau eine bis heute vorherrschende Lebensweise nach Europa brachte, verdanken Europäer die Mehrzahl der genetischen Anpassungen an ihren Lebensraum den Jägern und Sammlern“, sagt Felix Key, Doktorand am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und Erstautor der Studie.

Eine der Eigenschaften, die möglicherweise von Genvarianten der Jäger und Sammler beeinflusst wurde, ist die Augenfarbe. Die Forscher spekulieren, dass diese Varianten für Populationen in hohen Breitengraden mit wenig UV-Licht vorteilhaft gewesen sein könnten. Key merkt jedoch an, „dass wir bisher nur wenig darüber wissen, welche Funktionen genetische Varianten beim Menschen ausüben.“

Andrés sieht in dieser Forschung ein großes Potential: “Die Untersuchung sowohl moderner als auch alter Genome hilft uns dabei, lokale Umweltanpassungen besser zu verstehen. Die Genauigkeit von Studien wie dieser wird weiterhin zunehmen, je mehr alte Genome in hoher Qualität vorliegen.“, so Andrés. „Mit zusätzlichen Daten werden wir sehr wahrscheinlich ähnliche Muster auch auf anderen Kontinenten finden.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt


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