Geschickte Jäger schon vor 300.000 Jahren


Tübinger Urgeschichtler graben an der wichtigsten altpaläolithischen Fundstelle in Schöningen.


Seit Mitte der 1990er-Jahre steht die altpaläolithische Fundstelle in Schöningen im Zentrum der Aufmerksamkeit von Archäologen. Durch die Entdeckung von acht erstaunlich gut erhaltenen und etwa 300.000 Jahren alten Speeren, den bisher ältesten bekannten Jagdwaffen, wurden heftige Diskussionen ausgelöst und neue Fragen zur damaligen Lebensweise der Hominiden in Mitteleuropa gestellt. Die Speere sowie Steinartefakte und Tierreste zeigen, dass die Menschen bereits damals geschickte und erfolgreich angepasste Jäger waren, die dem modernen Menschen in ihrer Planungstiefe, ihrem Abstraktionsvermögen und ihrer reichen Erfahrung sehr ähnlich waren. Sie gehörten höchstwahrscheinlich zur Art „Homo heidelbergensis“, jedoch wurden Knochen von Menschen bisher nicht entdeckt.


Schaufelradbagger im Schöninger Tagebau, August 2012. Foto: Jordi Serangeli, Universität Tübingen.

Publikation:






Seit 2008 wird das Grabungsprojekt als Kooperation zwischen dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege und der Universität Tübingen fortgeführt. Die wissenschaftliche Projektleitung liegt bei Prof. Nicholas Conard, die Grabungsleitung bei Dr. Jordi Serangeli, beide vom Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen. Die Grabung wird seit 2010 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Ziel ist es, im Rahmen eines multidisziplinären Projektes, mehr über Mensch und Umwelt aus der Zeit von vor etwa 300.000 Jahren zu lernen, denn weltweit gibt es nirgends bessere Fundbedingungen als in Schöningen.

Unter Luftabschluss blieben sowohl große Knochen von Säugetieren wie Elefanten, Nashörnern, Pferden und Löwen, als auch Reste von Amphibien, Reptilien, Muscheln und sogar Käferflügel erhalten. Ähnliches gilt für die Flora, von der nicht nur Hölzer von Schwarzerle, Kiefer und Tanne, sondern auch Zapfen, Blätter, Pollen und Samen vieler anderer Pflanzen in bester Qualität erhalten sind. Alle Funde lagen bis zu der Eröffnung des Schöninger Braunkohle-Tagebaus unter dem Grundwasserspiegel, der vor 30 Jahren künstlich gesenkt wurde. Die Archäologen betreiben also „Unterwasserarchäologie ohne Wasser“. Die Grabung läuft fast das ganzes Jahr durch, und täglich werden solche Funde, Bodenproben oder Profile dokumentiert, gerettet und gesichert

Unter den wichtigsten Funden der letzten vier Jahre sind Reste eines Wasserbüffels im archäologischen Kontext, ein fast vollständig erhaltener Auerochse, einer der ältesten in Mitteleuropa, und mehrere Konzentrationen von Steinartefakten, Knochen und einzelne Hölzer. Die Funde zeigen, dass hier nicht eine einzelne Fundstelle, sondern eine ganze Fundlandschaft untersucht wird. Schöningen ist dadurch nicht nur für Archäologen, sondern auch für die Quartärökologie und die Klimaforschung eine weltweite Referenz.

Um der Öffentlichkeit einen Einblick in die Arbeit der Archäologen zu verschaffen, entsteht derzeit das „paläon“, ein Forschungs- und Erlebniszentrum, das auch als außerschulischer Lernort 2013 eröffnet wird.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt


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