Herakleion (Ägypten)
Koordinaten: 31° 20′ 0″ N, 30° 9′ 0″ O
Herakleion ({{Modul:Vorlage:lang}} Modul:ISO15924:97: attempt to index field 'wikibase' (a nil value)), auch Thonis ({{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value), vom altägyptischen Taḥont „der See“[1]) genannt, war Ägyptens wichtigster Seehafen nach Griechenland in den beiden Jahrhunderten zwischen 550 und 331 v. Chr. Nach mehreren Katastrophen ging die Stadt endgültig im 8. Jahrhundert n. Chr. unter.
Entdeckungsgeschichte
Herakleion lag – neben Menouthis und Teilen von Kanopus – in der Bucht von Abukir an einer Stelle, die heute etwa 6,5 Kilometer[2] vor der Küste und knapp zehn Meter unter dem Meeresspiegel liegt. Die genaue Lage der durch Texte von Herodot und Strabon bekannten Stadt war seit ihrem Untergang vollständig in Vergessenheit geraten. Nach Vermessungsarbeiten ab 1997[3] wurde erst 2000 die genaue Position der antiken Stadt von Franck Goddio und seinem Team wiederentdeckt.[4] Bei Ausgrabungen wurden Inschriften gefunden, aus denen erstmals erkannt wurde, dass das griechische Herakleion und das ägyptische Thonis dieselbe Stadt waren und dass auf diese Weise beide gleichzeitig gefunden wurden.[5]
Herakleion war auf mehreren Inseln erbaut und von zahlreichen Kanälen durchzogen, von denen einer die Stadt mit dem nahegelegenen See verband[2], welcher den ägyptischen Namen der Stadt ergeben hatte. Während der geologischen Vermessung, die parallel zu den Freilegungen 2001 durchgeführt wurde, wurden Anlagen zwischen den Städten Herakleion und Ost-Kanopus entdeckt, die den Aufzeichnungen antiker Texte entsprechen und aufzeigen, dass tatsächlich mehrere Siedlungen in diesem nun versunkenen Teil Ägyptens existiert haben.
Im Zuge der Ausgrabungen konnten auch die Gründe ermittelt werden, warum die gewaltigen Bauten der Stadt innerhalb kürzester Zeit tief im Sand versunken waren. Ursache war eine Bodenverflüssigung in Folge eines Erdbebens, das auf das dritte Jahrhundert vor Christus datiert wird.[5] Die Lage auf einem Alluvialboden aus Nil-Schlamm, der vollständig durchfeuchtet war, machte die Stadt verwundbar für den Verlust von Scherfestigkeit durch eine massive Erschütterung. Die Hauptgebäude der Stadt versanken annähernd intakt im Boden, darunter vor allem der zentrale Tempel des Amun. Mit dem Verlust des Tempels verlor die Stadt, die ihre Wichtigkeit weniger aus dem Handel, sondern vorwiegend aus der spirituellen Bedeutung der religiösen Verehrung von Amun und Osiris zog, ihren Existenzzweck. Stadt und Hafen verloren an Anerkennung und wurden nicht mehr gegen die ständige Erosion und Umlagerung der Schwemmfächer verteidigt. Im achten Jahrhundert nach Christus wurde sie völlig aufgegeben und vergessen.[5]
Herakles-Tempel
Seinen griechischen Namen Herakleion verdankte Thonis dem Tempel des Amun-Sohns und Mondgottes Chons, der hier als Heiler und Orakelgott verehrt wurde. Die Griechen setzten den jugendlichen Gott mit Herakles gleich. Laut Herodot soll der Chons-Tempel der erste Ort gewesen sein, in dem Herakles ägyptischen Boden betrat. Außerdem berichtet er von dem Abstecher des Trojaners Paris und der griechischen Königsgattin Helena nach Herakleion auf ihrer Flucht vor Menelaos, dem eifersüchtigen Herrscher Spartas, kurz bevor sie den Trojanischen Krieg auslösten.[2] Später wurde das Heiligtum dem Amun gewidmet. Es wurden weiterhin Kolossalstatuen einer Königin als Isis-Verkörperung sowie des Nilgottes Hapi gefunden, die womöglich im Tempeleingang standen.[3]
Geschichte und Bedeutung
Die Gründung der Stadt wird für die Zeit nach der Regierung Psammetich II. angesetzt, der Griechen als Söldner verpflichtete und ihnen zum Lohn Land an der Küste gab. Um den griechischen Einfluss gering zu halten, verfügte Pharao Amasis, dass der Aufenthalt von Griechen in Ägypten nur in Naukratis gestattet sei, sowie in dem dorthin führenden herakleotischen (auch kanopischen) Nilarm, an dessen Mündung die griechischen Städte Herakleion und Kanopus lagen. Als die Ptolemäer ihre Regentschaft über Ägypten begannen, löste Alexandria bald Herakleion als größten Seehafen Ägyptens ab, die Stadt genoss als alte griechische Kolonie aber weiterhin Privilegien.[3]
Die Stadt Herakleion galt nicht nur als eines der prominentesten religiösen Zentren. Sie war seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. auch ein reger Handelshafen. So verkündete die Inschrift einer 1999 in Naukratis entdeckten Stele aus dem Jahre 380 v. Chr.: „Zehn Prozent Zoll erhebt Pharao Nektanebos I. durch seine Schatzhausbeamten in Herakleion auf Gold, Silber, Holz und alle anderen Waren, die aus dem Meer der Griechen kommen, ebenso auf Güter aus Naukratis.“ Die Bedeutung der Stadt für den Seehandel wird von den zahlreichen Hafenbecken, Kanälen sowie mehr als 70 im Hafenbecken gefundenen antiken Schiffswracks aus dem 6. bis 2. Jahrhundert v. Chr. dokumentiert.[2]
Für die spätere Stadtgeschichte siehe #Entdeckungsgeschichte
Literatur
- Franck Goddio, David Fabre: Osiris - Das versunkene Geheimnis Ägyptens. Prestel, München 2017, ISBN 978-3-7913-5596-2.
- Franck Goddio: The topography and excavation of Heracleion-Thonis and East Canopus: (1996-2006): underwater archaeology in the Canopic Region in Egypt (= Oxford Centre for Maritime Archaeology. Monograph, Band 1). Oxford University Institute of Archaeology, Oxford 2007, ISBN 978-0-9549-6273-9.
- Alexander Belov: Ship 17 a baris from Thonis-Heracleion: ships and boats from the Canopic Region in Egypt (= Oxford centre for maritime archaeology. monograph, Band 10). Oxford Centre for Maritime Archaeology, Oxford 2019, ISBN 978-1-9059-0536-2.
- A-S von Bomhard: The Decree of Saïs (= Oxford Centre for Maritime Archaeology. Monograph, Band 7). Oxford Centre for Maritime Archaeology, Oxford 2012.
- J. Bischop, C. Gerigk Schneider (Hrsg.): Der neue Pauly: Enzyklopädie der Antike. Band 5: Altertum. Gru - Ing. Metzler, Stuttgart 1998, ISBN 3-476-01470-3, S. 471.
- Franck Goddio, Damian Robinson: Thonis-Heracleion in Context (= Oxford centre for maritime archaeology. Monograph, Band 8). Oxford Centre for Maritime Archaeology, Oxford 2015, ISBN 978-1-905905-33-1.
- Franck Goddio, Manfred Clauss (Hrsg.), Christoph Gerigk (Fotos): Ägyptens versunkene Schätze. Prestel, München 2007, ISBN 978-3-7913-3828-6.
- Christophe Thiers: La stele de Ptolémée VIII Évergète II à Héracléion (= Oxford Centre for Maritime Archaeology. Monograph, Band 4./ Underwater archaeology of the Canopic region in Egypt.) Oxford University School, Oxford 2009, ISBN 978-1-905905-05-8.
- Sylvie Cauville, Franck Goddio: De la Stèle du Satrape (lignes 14-15) au Temple de Kom Ombo (n° 950). In: Göttinger Miszellen – Beiträge zur ägyptologischen Diskussion. Band 253, 2017, S. 45–54.
- Lars Abromeit (Text), Christoph Gerigk (Fotos): Atlantis am Nil, die versunkene Hafenstadt der Pharaonen: wie sie blühte, wie sie unterging. In: Geo. Oktober 2014.
Weblinks
- Institut Européen d'Archéologie Sous-Marine (IEASM) - Héracléion
- Franck Goddios Homepage
- „Herakleion: Die Auferstehung der Götter“, GEO, Nr. 12, 2001
- Versunkenes Herakleion
- Ägyptens Versunkene Schätze
- Thonis-Herakleion, In Ägyptens versunkener Stadt, Spiegel Online, 29. August 2019 [1]
- Flutwelle saugte die Stadt der Schönen und Reichen ins Meer, Die Welt, 21. August 2019 [2]
- Das Boot des Herodot, Süddeutsche Zeitung, 21. März 2019 [3]
- Osiris war immer schon da, NZZ, 13, Januar 2017 [4]
Einzelnachweise
- ↑ Michael Erler, Martin Andreas Stadler (Hrsg.): Platonismus und spätägyptische Religion. Plutarch und die Ägyptenrezeption in der römischen Kaiserzeit. De Gruyter, Berlin/ Boston 2017, ISBN 978-3-11-053297-5, S. 245, Nr. 104.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 Sunken Civilizations: Thonis-Heracleion. From Legend to Reality. Auf: franckgoddio.org (Website von Franck Goddio) abgerufen am 13. Juli 2020.
- ↑ 3,0 3,1 3,2 Anja Herold: Auferstehung der Götter. In: Geo-Magazin. vom Januar 2002. S. 22–44.
- ↑ Exclusif: Premières images de la découverte de la mythique Heracleion (Egypte). [Fotos der Bergung der Statuen mit einem Kurzbericht (französisch)] Auf: eddenya.com; abgerufen am 13. Juli 2020.
- ↑ 5,0 5,1 5,2 Parker Richards: An Ancient City’s Demise Hints at a Hidden Risk of Sea-Level Rise. In: The Atlantic. vom 28. Juni 2019.