Gisela (Äbtissin)

Gisela (* 757 in Aachen; † 810 in Chelles, Seine-et-Marne, Frankreich) war eine karolingische Prinzessin und Äbtissin der Abtei Chelles. Sie war eine Tochter von Pippin dem Kurzen und seiner Frau Bertrada und damit eine Schwester Karls des Großen und Karlmanns I.

Leben

Gisela war neben ihren beiden Brüdern Karl und Karlmann das dritte Kind von Pippin und Bertrada, das das Erwachsenenalter erreichte und den Vater überlebte. In der Vita Karoli des Einhard ist sie erwähnt:

“Erat ei unica soror nomine Gisla, a puellaribus annis religiosae conversationi mancipata, quam similiter ut matrem magna coluit pietate. Quae etiam paucis ante obitum illius annis in eo, quo conversata est, monasterio decessit.”

„Er [Karl d. Große] hatte eine einzige Schwester, Gisela, die sich von Kindheit an einem religiösen Leben geweiht hatte, und er hegte für sie ebenso viel Zuneigung wie für seine Mutter. Auch sie verstarb einige Jahre vor ihm im Nonnenkloster, in dem sie ihr Leben verbrachte.“

Seitens ihrer Familie wurde mehrfach ihre Vermählung aus Bündniserwägungen in Betrachtung gezogen: In den 760er Jahren durch Pippin mit Leo, dem Sohn des byzantinischen Kaisers Konstantin V., und in den 770er Jahren durch Karl mit Adelchis, dem Sohn des letzten Langobardenkönigs Desiderius.[2][3] In beiden Fällen kam die Eheschließung mit Rücksicht auf den Papst nicht zustande.

Stattdessen entschied Gisela sich für das klösterliche Leben und wurde Äbtissin von Chelles. Als Herrschertochter mit den Artes Liberales vertraut und gebildet, blieb sie vom Kloster aus mit dem Hof verbunden. Insbesondere gibt es einen intensiven Briefwechsel mit Alkuin, zu dessen Freundeskreis sie unter dem Pseudonym „Lucia“ gehörte.[4] Alkuin widmete ihr und ihrer Nichte Rotrud seinen Kommentar des Johannesevangeliums, dessen Erstellung auf ihre Anregung zurückging.[5][6]

Die Forschung geht davon aus, dass auf Anregung Giselas im Skriptorium der Abtei Chelles um 806 die Abfassung der Metzer Annalen erfolgte.[7] Sie war auch verantwortlich für die Betreuung der umfangreichen und in ihrer Zeit wachsenden Reliquiensammlung des karolingischen Herrscherhauses in der Abtei Chelles.[8] Gisela starb 810 und ist in der Abtei Chelles begraben.

Judy Chicago widmete ihr eine Inschrift auf den dreieckigen Bodenfliesen des Heritage Floor ihrer Installation The Dinner Party. Die mit dem Namen Gisela beschrifteten Porzellanfliesen sind dem Platz mit dem Gedeck für Hrotsvit zugeordnet.[9]

Literatur

  • Josef Fleckenstein: Gisela, 1. G. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 4. Artemis & Winkler, München/Zürich 1989, ISBN 3-7608-8904-2, Sp. 1464.|
  • Josef Fleckenstein: Karl der Große und sein Hof. In: Helmut Beumann, Wolfgang Braunfels (Hrsg.): Karl der Große. Lebenswerk und Nachleben. Band 1. L. Schwann, Düsseldorf 1965, S. 24–50.
  • Bernhard Bischoff: Die Kölner Nonnenhandschriften und das Skriptorium von Chelles. In: Mittelalterliche Studien. Ausgewählte Aufsätze zur Schriftkunde und Literaturgeschichte. Band 1. Hiersemann, Stuttgart 1966, S. 16–34.
  • Douglas Dales: Alcuin: His Life and Legacy. James Clarke & Co., Cambridge 2012, ISBN 978-0-227-17346-6, S. 90 f.

Einzelnachweise

  1. Einhard: Vita Caroli cap. 18. The Latin Library. Abgerufen am 6. Dezember 2020.
  2. Rudolf Schieffer: Die Karolinger. 5. Auflage. W. Kohlhammer, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-17-023383-6, S. 68.
  3. Matthias Becher: Karl der Große. 5. Auflage. C. H. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-43320-7, S. 48.
  4. Diese Reihe der Monumenta Germaniae Historica ist nicht bekannt, Briefe Nr. 15, 84, 154, 195, 196, 213, 214, 216, und 228.
  5. Diese Reihe der Monumenta Germaniae Historica ist nicht bekannt, Briefe Nr. 196 und 213.
  6. Douglas Dales: Alcuin: His Life and Legacy. James Clarke & Co., Cambridge 2012, ISBN 978-0-227-17346-6, S. 90 f. (google.de).
  7. Hartmut Hoffmann: Untersuchungen zur karolingischen Annalistik. In: Bonner Forschungen 10. Ludwig Röhrscheid, Bonn 1958, S. 53 ff.
  8. M. Jean-Pierre Laporte: Les reliques de Chelles, une sépulture royale mérovingienne. In: Bulletin de la Société nationale des Antiquaires de France. Nr. 1987. Èdition-Diffusion de Boccard, Paris 1989, S. 290–303 (persee.fr).
  9. Brooklyn Museum: Gisela. In: brooklynmuseum.org. Abgerufen am 14. November 2020.

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