Eine vierte Abstammungsgruppe der Europäer geht auf isolierte Jäger und Sammler der Eiszeit zurück

Presseldung vom 17.11.2015

Offensichtlich über Jahrtausende isolierte Populationen von Jägern und Sammlern überstanden die Eiszeit im Kaukasus und vermischten sich später mit anderen angestammten Gruppen. Dabei ging die Jamnaya-Kultur hervor, die diese Jäger-Sammler-Linie nach Westeuropa brachte.


Die erste Sequenzierung von alter DNA, die von menschlichen Überresten aus der späten Altsteinzeit vor mehr als 13.000 Jahren extrahiert wurde, hat eine bisher unbekannte "vierte Abstammungslinie" der alten europäischen Vorfahren offenbart. Diese neu entdeckte Linie stammt von Jäger- und Sammlergruppen, die sich von westlichen Gruppen kurz nach der "Out of Africa"-​​Expansion vor etwa 45.000 Jahre abspalteten und sich in der Kaukasus-Region niederließen, dort wo heute die Grenze von Süd-Russland und Georgien verläuft.


Die alte DNA wurde aus einem Backenzahn dieses Skeletts gewonnen. Der Fund ist fast 10.000 Jahre alt und wurde in West-Georgien gemacht.

Publikation:


Eppie R. Jones et al.
Upper Palaeolithic genomes reveal deep roots of modern Eurasians
Nature Communications, 2015; 6: 8912

DOI: 10.1038/ncomms9912



Hier blieben diese Jäger und Sammler über Jahrtausende und wurden zunehmend isoliert, als die Eiszeit vor etwa 25.000 Jahren im "Glazialen Maximum (auch Letzteiszeitliches Maximum)" gipfelte. Dieses Klimaextrem haben die Gruppen relativ geschützt in den Bergen des Kaukasus überstanden, bis letztendlich Tauwetter einsetzte und wieder weite Wanderungen möglich wurden. Dies brachte sie schließlich wieder mit anderen Bevölkerungsgruppen in Kontakt, wahrscheinlich mit Gruppen, die weiter östlich ansässig waren.

Dies führte zu einer genetischen Vermischung, aus der die Jamnaja-Kultur hervorging: Hirten auf Pferden, die vor etwa 5.000 Jahren nach Westeuropa kamen und wohl den Beginn der Bronzezeit einläuteten. Neben der Metallurgie und der Fähigkeit zur Viehhaltung brachte diese Linie der kaukasischen Jäger-Sammler-Gruppen auch ihre DNA nach Westeuropa - die heute in fast allen Bevölkerungsgruppen des europäischen Kontinents präsent ist.

"Die Frage, wo die Jamnaja herkamen, war immer so etwas wie ein Mysterium - bis jetzt", sagte Dr. Andrea Manica, einer der führenden Autoren vom Department of Zoologie in Cambridge.

"Wir können diese Frage jetzt antworten, denn wie wir festgestellt haben, stammt das "genetische Make-up" der Jamnaja von osteuropäischen Jägern und Sammlern sowie einer Bevölkerung aus dem Kaukasus, die lange Strecken der letzten Eiszeit in offensichtlicher Isolation überstanden hat. Diese "Kaukasus-Insel" ist die vierte große Ahnengruppe der alten europäischen Vorfahren, eine, deren wir uns bis jetzt nicht bewusst waren", sagte er.

Zuvor hatten die alten eurasischen Genome drei große Bevölkerungsgruppen offenbart, die zum Genom heutiger Europäer in unterschiedlichem Maße beitrugen, sagt Manica.

Im Anschluss an die "Out of Africa"-​​Expansion wanderten einige Jäger- und Sammler-Populationen in den Nordwesten, wo sie schließlich große Teile Europas von Spanien bis nach Ungarn besiedelten, während sich die anderen Populationen rund um das östliche Mittelmeer und in der Levante niederließen, wo sie vor 10.000 Jahren die Landwirtschaft entwickelten. Diese frühen Bauern wanderten schließlich nach Europa und kolonisierten den Kontinent.

Schließlich, zu Beginn der Bronzezeit vor etwa 5.000 Jahren, gab es eine Welle der Migration vom Zentrum Eurasiens nach Westeuropa - die Jamnaja-Kultur.

Mit der Sequenzierung der alten DNA aus zwei separaten Gräbern in Westgeorgien - eines mehr als 13.000 Jahre alt, das andere knapp 10.000 Jahre alt - konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die Menschen der Jamnaja-Kultur zur Hälfte von bisher unbekannten und genetisch unterschiedlichen Jäger- und Sammlergruppen abstammen - der vierten Ahnengruppe.

Durch das Lesen der DNA konnten die Forscher auch zeigen, dass sich die Abstammungslinie dieser vierten Jäger-Sammler-Gruppe aus dem Kaukasus von den westlichen Jägern und Sammlern gleich nach der Ausbreitung des anatomisch modernen Menschen von Afrika nach Europa auseinander entwickelte.

Das kaukasische Jäger-Sammler-Genom zeigte eine anhaltende Vermischung mit den Vorfahren der frühen Bauern in der Levante, was laut Manica angesichts der relativen geografischen Nähe Sinn macht. Diese Vermischung endet jedoch vor etwa 25.000 Jahren - kurz vor dem letzten glazialen Maximum.

An diesem Punkt schrumpfen die Jäger-Sammler-Populationen im Kaukasus und die Gene beginnen sich zu homogenisieren. Dies ist ein Zeichen für Paarungen zwischen Menschen mit zunehmend ähnlicher DNA. Dies änderte sich über Tausende von Jahren nicht, da diese Populationen im Schutz der Berge offensichtlich isoliert blieben und möglicherweise von den anderen großen angestammten Bevölkerungen für etwa 15.000 Jahre abgeschnitten waren. Erst als die Migrationen nach dem letzten glazialen Maximum wieder Fahrt aufgenommen hat, ändert sich dies und die Jamnaja-Kultur entsteht.

"Wir wussten, dass die Jamnaja-Menschen diese große genetische Komponente in sich hatten, die wir aber nicht zuordnen konnten, und wir können jetzt sehen, es war diese alte Abstammunglinie, versteckt im Kaukasus während der letzten Eiszeit", sagte Manica.

Während die Abstammungslinie der kaukasischen Jäger- und Sammlergruppen durch die Jamnaja-Kultur schließlich nach Westen gelangte, hatte sie, so fanden die Forscher heraus, auch einen signifikanten Einfluss weiter östlich. Eine ähnliche Bevölkerung muss an einem gewissen Punkt nach Südasien migriert sein, sagt Eppie Jones, Doktorand am Trinity College und erster Autor der Studien.

"Die Menschen in Indien haben eine komplette Mischung aus asiatischen und europäischen Gen-Komponenten. Die Abstammungslinie der Jäger- und Sammlergruppen aus dem Kaukasus hat die beste Übereinstimmung für die europäische Gen-Komponente direkt mit den modernen indischen Populationen", sagte Jones.

Die weite Verbreitung der kaukasischen Jäger-Sammler-Linie nach ihrer langen Isolation macht geographisch Sinn, sagt Professor Ron Pinhasi, Co-Autor vom University College Dublin. "Der Kaukasus liegt fast an einem Scheideweg der eurasischen Landmasse und ist die wohl vernünftigste Migrationsroute, sowohl nach Westen als auch nach Osten."

Er fügte hinzu: "Die Sequenzierung der Genome aus dieser Schlüsselregion hat große Bedeutung für die Paläogenetik und für das Verständnis der menschlichen Evolution in Eurasien, da sich nun eine wichtige Lücke in unserem Wissen geschlossen hat."

David Lordkipanidze, Direktor des georgischen Nationalmuseum und Co-Autor der Arbeit sagte: "Dies ist die erste Gensequenzierung aus Georgien - ich bin sicher, bald werden wir mehr paläogenetische Informationen aus unserer reichhaltigen Fossiliensammlung erhalten."


Diese Newsmeldung wurde mit Material der University of Cambridge via Science Daily erstellt


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