Szeletien

Szeletien
Zeitalter: Mittel-/Jungpaläolithikum
Absolut: ca. 43.000 bis 35.000 Jahre v. Chr.

Ausdehnung
Östliches Mitteleuropa
Leitformen

Blattspitzen, Faustkeilblätter, Keilmesser

Als Szeletien wird die archäologische Kultur der spätmittelpaläolithischen Blattspitzen-Gruppen im östlichen Mitteleuropa bezeichnet, mit einem Verbreitungsschwerpunkt in Ungarn und Südmähren. Durch radiometrische Datierungen wird es in die Zeit zwischen etwa 43.000 - 35.000 v. Chr. gestellt, worin sich Überschneidungen mit dem frühen Jungpaläolithikum (Aurignacien) widerspiegeln. Etwa zeitgleich mit dem Szeletien war in Mähren das Bohunicien verbreitet, in Teilen Frankreichs das Châtelperronien, in Italien das Uluzzien. Die Werkzeugproduktion wird aufgrund der Rekonstruktion der frühen europäischen Siedlungsgeschichte mit dem Neandertaler in Verbindung gebracht.

Etymologie

Der Name Szeletien (auch Szélétien) ist von seinem eponymen Fundort, der Szeleta-Höhle im ungarischen Bükk-Gebirge, abgeleitet.

Verbreitungsgebiet

Blattspitzenkomplexe im östlichen Mitteleuropa werden als Szeletien bezeichnet. Im engeren Sinne betrifft das Ungarn[1], Mähren[2] (zum Beispiel Vedrovice V)[3], Polen[4] mit der Region Oberschlesien[5] und Niederösterreich. Von einigen Archäologen wird der Begriff auch für Funde in Niederbayern verwendet.[6]

Stratigraphie

Das Szeletien lässt sich wie folgt unterteilen (von jung nach alt):

  • Ausgehendes Szeletien
  • Jüngeres Szeletien
  • Älteres Szeletien

Älteres Szeletien

Diese Kulturstufe wurde in der Szeleta-Höhle (Lage 3) und in anderen Höhlen des Bükk-Gebirges wie beispielsweise Balla, Diósgyőr und Puskaporos angetroffen. Sie findet sich aber auch in Mähren (Jezerany I und Jezerany II sowie Vedrovice V) und in Polen (Dzierzyslav). Bearbeitet wurde vorwiegend glasiger Rhyolith aus dem Bükk-Gebirge. Hauptaugenmerk bei der Werkzeugherstellung waren Abschläge und Klingen, wobei die Abschläge mit einem Faktor drei dominierten[4]. Die Retuschierungen erfolgten mittels wechselseitig gleichgerichteter Kantenbearbeitung[7]. Die Artefakte sind typisch für das Mittelpaläolithikum[8], zeigen aber dennoch bereits Einflüsse des Jungpaläolithikums. Ihre Herstellungstechnik entstammt dem Moustérien, die Levalloistechnik wurde aber nur noch spärlich eingesetzt. Dementsprechend wurden unregelmäßige Kerne in Prismen- oder Diskusform auch nur selten vorbearbeitet. Unter den mittelpaläolithischen Werkzeugen finden sich Blattspitzen (zahlreich), Moustérienspitzen (selten)[9], Schaber und retuschierte Abschläge. Auch Faustkeilblätter und Keilmesser sind zugegen. Längliche, gelegentlich retuschierte Abschläge belegen die Tendenz zu einer Laminarisation in der Werkzeugherstellung[10]. Die jungpaläolithisch beeinflussten Werkzeuge werden von Kratzern und gelegentlichen Sticheln dominiert.

Die Ursprünge des Älteren Szeletiens müssen entweder im Micoquien[2] (hierauf deuten so genannte Prodnik-Messer) oder im so genannten Babonyien – einer mittelpaläolithischen Industrie gekennzeichnet durch Keilmesser und Schaber – gesucht werden. Neuere Forschungen befürworten die zweite Hypothese[9]. Durch Kielformen (franz. carénés) bestehen aber auch Anklänge zum Aurignacien von Bárca und Kechnec[11]. Daraufhin deuten auch in Szeleta gefundene Knochenspitzen mit Spaltschaft.

Jüngeres Szeletien

Das Jüngere Szeletien tritt in Ungarn (Bükk-Gebirge) und in Mähren (mit den Fundorten Neslovice, Orechov 1 und Orechov 2, Želešice sowie Ondratice 3, Ondratice 4 und Ondratice 5) auf. Gegenüber dem Älteren Szeletien zeichnet es sich durch eine weitere Zunahme jungpaläolithischer Formen aus (prozentualer Anstieg der Kratzer, Stichel und retuschierten Klingen im Werkzeugspektrum[5]) und die Tendenz zur Laminarisation schreitet weiter fort. Die Werkzeuge sind überdies von wesentlich besserer Qualität. Die Blattspitzen sind jetzt im Querschnitt symmetrisch und rautenförmig. Erstmals tauchen auch Gravettespitzen und Mikrogravetten auf.

Ausgehendes Szeletien

Die Kulturstufe des Ausgehenden Szeletiens wurde 1990 von Ringer eingeführt. Sie wird durch Artefakte des Abris von Puskaporos repräsentiert, vorwiegend Blattspitzen, die in ihrer Fertigung bereits den Blattspitzen des Solutréens ähneln.[12]

Datierung

Das älteste Niveau der Szeleta-Höhle hat ein Radiokohlenstoffalter von 41.700 Jahren BP erbracht; dies entspricht kalibriert (mit CalPal) 43.203 Jahre v. Chr. Die Ursprünge des Älteren Szeletiens liegen demnach im Würm II. Vedrovice V besitzt ein Alter von 39.500 (41.545 v. Chr.) und Dzierzyslav 39.000 Radiokohlenstoffjahre (41.306 v. Chr.).[4] Das ältere Szeletien erlebte somit seine volle Entfaltung im Hengelo-Interstadial und überdauerte dann bis ins W II/III-2-Interstadial. Der Übergang vom Älteren zum Jüngeren Szeletien wurde in den oberen Lagen der Szeleta-Höhle mit 32.580 ± 420 Radiokohlenstoffjahren bzw. 35.153 ± 802 Jahre v. Chr. datiert.[13] Das Jüngere Szeletien fällt somit ins Huneborg II (Les Cottés-Interstadial), erstreckt sich aber möglicherweise noch bis ins Denekamp II (Arcy-Interstadial).

Einzelnachweise

  1. Mester, Z.: La transition vers le Paléolithique supérieur des industries moustériennes de la montagne de Bükk (Hongrie). In: Actes du Colloque International de Nemours, 1988: Paléolithique moyen récent et Paléolithique supérieur ancien en Europe. Ruptures et transitions: examen critique des documents archéologiques, Mémoires du Musée de Préhistoire d'Ile de France, 3. Ed. A.P.R.A.I.F., Nemours 1990, S. 111–113.
  2. 2,0 2,1 Valoch, K.: La Moravie il y a 10 000 ans. In: Actes du Colloque International de Nemours, 1988: Paléolithique moyen récent et Paléolithique supérieur ancien en Europe. Ruptures et transitions: examen critique des documents archéologiques, Mémoires du Musée de Préhistoire d'Ile de France, 3. Ed. A.P.R.A.I.F., Nemours 1990, S. 115–124, 4 f.ig.
  3. Koslowski, J. K: Aurignacien-Périgordien en Europe centrale et orientale. Hrsg.: J.P. Mohen: Le temps de la préhistoire, tome II, Société Préhistorique Française. Ed. Archéologia, 1989, S. 258–259, 1 tab.
  4. 4,0 4,1 4,2 Koslowski, J. K. und Koslowski, S. K.: Le paléolithique en Pologne. In: Jérome Millon (Hrsg.): Coll. L'Homme des Origines, Série " Préhistoire d'Europe ". 1996, S. 240 p., 23 f.ig., 73 planches.
  5. 5,0 5,1 Desbrosse, R. und Koslowski, J.: Hommes et Climats à l'âge du Mammouth, le Paléolithique supérieur d'Eurasie centrale. In: Coll. Préhistoire. Masson, Paris 1988, S. 144 p., 41 f.ig.
  6. Wolfgang Weißmüller: Drei Fundstellen mit Blattformen aus dem südostbayerischen Donauraum. Ein Beitrag zur Kenntnis der Westausbreitung des Szeletien. Quartär, Band 45/46, 1995, S. 99–134 doi:10.7485/QU45 05
  7. Bosinski, G.: Die mittelpaläolithischen Funde im westlichen Mitteleuropa. In: Fundamenta A/4. Böhlau Verlag, Köln/Graz 1967, S. 206.
  8. Allsworth-Jones, P.: Les industries à pointes foliacées d'Europe centrale. Questions de définitions et relations avec les autres techno-complexes. In: Ed. A.P.R.A.I.F. (Hrsg.): Actes du Colloque International de Nemours, 1988: Paléolithique moyen récent et Paléolithique supérieur ancien en Europe. Ruptures et transitions: examen critique des documents archéologiques, Mémoires du Musée de Préhistoire d'Ile de France, 3. Nemours 1990, S. 79–95, 9 f.ig., 3 tab.
  9. 9,0 9,1 Ringer, A.: Le Szélétien dans le Bükk en Hongrie (Chronologie, origine et transition vers le Paléolithique supérieur). In: Ed. A.P.R.A.I.F. (Hrsg.): Actes du Colloque International de Nemours, 1988: Paléolithique moyen récent et Paléolithique supérieur ancien en Europe. Ruptures et transitions : examen critique des documents archéologiques, Mémoires du Musée de Préhistoire d'Ile de France, 3. Nemours 1990, S. 107–109, 1 f.ig.
  10. Gabori, M.: Aperçus sur l'origine des civilisations du Paléolithique supérieur en Hongrie. In: Ed. A.P.R.A.I.F. (Hrsg.): Actes du Colloque International de Nemours, 1988: Paléolithique moyen récent et Paléolithique supérieur ancien en Europe. Ruptures et transitions : examen critique des documents archéologiques, Mémoires du Musée de Préhistoire d'Ile de France, 3. Nemours 1990, S. 103–106.
  11. Bánesz, L.: Bárca bei Kosice. Paläolithische Fundstelle. Hrsg.: Akadémie Vied. Bratislava 1968, S. 228.
  12. Ringer, A. u. a.: Le complexe Babonyien-Szeletien en Hongrie du nord-est dans son cadre chronologique et environmental. In: Paléo. Supplement, supplement 1995. 1995, S. 27–30, doi:10.3406/pal.1995.1376.
  13. Geyh, M. A. u. a.: A magyarországi würmi eljegesedés új kronológiai adatai. In: Földrajzi Értesítő. Band 18, 1, 1969, S. 5–18.

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