Oasenkultur

Ungefähre Ausbreitung der Oasenkultur (BMAC: Bactria–Margiana Archaeological Complex)
Die Oasenkultur (BMAC) und weitere, sie umgebende Kulturen, die allgemein mit der Ausbreitung indo-iranischer Sprachen bzw. Emigration in Verbindung gebracht werden.[1]: die Andronowo-Kultur, die baktrisch-margianische Oasenkultur und die Yaz-Kultur. Die Swat-Kultur, die Cemetery-H-Kultur, die Kupfer-Hort-Kultur und die PGW-Kultur sind Kandidaten für die indo-arischen Völkerwanderungen.

Als Oasenkultur (auch Oxus-Kultur oder Oxus-Zivilisation, nach dem antiken Namen des zentralasiatischen Amudarja-Flusses) wird eine bronzezeitliche Kultur in der Wüste Karakum im heutigen Turkmenistan und Teilen Afghanistans bezeichnet. Sie existierte vermutlich zwischen 2200 und 1700 v. Chr. in etwa zeitgleich mit der Indus-Kultur, dem Reich Elam in Mesopotamien und dem Mittleren Reich in Ägypten. Das Verschwinden der Oasenkultur ist nicht genau geklärt, wurde aber vermutlich durch klimatische Veränderungen verursacht. Der Name Oxus-Kultur ist ungenau, denn diese Kultur darf nicht mit der vom 5. Jahrhundert vor Christus bis zum 17. Jahrhundert nach Christus bestehenden Flusskultur am Usboi verwechselt werden (damals der Unterlauf bzw. Nebenfluss des Oxus), der den Fluss bei Gurgandsch (Köneürgenç) nach Westen hin bis ins Kaspische Meer leitete. Ebenso liegen die weiter südlich verlaufenen Flussläufe des Usboi durch das Karakum bzw. den Ungus und nördlich des Kopet-Dag ganz oder größtenteils außerhalb dieser Gebiete.

Überblick

Die Oasenkultur zeigt ein für die Region und Zeit (spätes 3. bis frühes 2. Jahrtausend v. Chr.) ungewöhnlich hohes Niveau der Töpferei und Metallverarbeitung (Bronze, Silber). Davon zeugen fein bearbeitete und mit geometrischen Motiven verzierte Steinvasen, bronzene Schnabelvasen (evtl. Teil eines Soma-Kultes), Silbervasen, Schmuckstücke (Schminkbehälter mit Applikator, Elfenbeinkamm, Spiegel), eine Silbernadel mit einem Schaf als Kopf sowie Goldperlen.

Neben massiven Steinarbeiten wurden auch fein gearbeitete Skulpturen gefunden. Dazu zählen weibliche, später auch männliche, flache Tonfiguren mit schnabelartigen Nasen, welche wahrscheinlich in den Häusern aufgehängt wurden. Außerdem plastische, plump wirkende sitzende Stein-Figuren mit aufgesetzten Steinköpfchen und auffallender Fell-Tracht, die in Gräbern deponiert wurden und als Muttergottheiten gedeutet werden, aber auch, vergleichbar den ägyptischen Ka-Statuen, als Seelenträger fungiert haben können. Außer Grubengräbern wurden Grabstätten herausragender Persönlichkeiten gefunden, die als Nachbildung eines Wohnhauses angelegt waren.

Die (zum Teil monumentalen) Gebäude sind nach Plan errichtet worden (z. B. Togolok 21) und lassen somit auf mathematisches, geometrisches und astronomisches Wissen schließen. Davon zeugen auch mehrere ausgegrabene Städte mit rechtwinkeligen Straßengittern, die dicke Stadtmauern und ein palastähnliches Gebäude im Zentrum aufweisen. Mehrere Städte wurden in einem Verbund angelegt – bei der Fundstelle Adji Kui sind es neun im engen Umkreis.

In Adji Kui wurden Amulette gefunden, deren Abbildungen – darunter das häufig auftretende Adler-Schlange-Motiv – als Darstellungen von Szenen des mesopotamischen Etana-Mythos gedeutet wurden[2][3] In Gräbern gefundene Fayence-Armreife aus der Indus-Kultur sowie syrische Stempelsiegel mit geflügelter weiblicher Gottheit auf einem Panther legen nahe, dass Fernhandel stattfand. Auf eine ausgeprägte Handelskultur deuten auch Stempelsiegel zur Kennzeichnung des Besitzes sowie Zählsteine für die buchhalterische Erfassung von Waren hin.

Die Menschen der Oasenkultur domestizierten Schaf und Ziege, sowie Hausesel und vor allem Kamele. Mit ausgeklügelten Bewässerungsanlagen wurden große Felder versorgt, auf denen Gerste, Weizen und Hülsenfrüchte angebaut wurden.

Der Ursprung der Oasenkultur ist unsicher, doch gab es im Süden vom heutigen Turkmenistan schon im vierten Jahrtausend v. Chr. diverse Städte, wie Altyndepe oder Namazgadepe. Diese Orte wurden im dritten Jahrtausend verlassen, da die Region verwüstete. Es ist argumentiert worden, dass die Bewohner nach Norden in die Margiana zogen, wo sich in der Folgezeit Hauptzentrum der Oasenkultur bilden sollte.[4]

In der Forschung gab es verschiedene Vorschläge die Oasenkultur zeitlich zu gliedern. Eine der frühsten Vorschläge stammen von Viktor Ivanovich Sarianidi und P'yankova. Nach ihnen gab es drei Stufen: Kelleli, Gonur und Togolok. Diese Stufen sind zeitlich mit den drei Unterstufen von Namazga VI. Die Gliederung folgt vor allem der Keramikentwicklung. Die Stufen sind nach wichtigen Fundorten benannt.[5]

Entdeckung

Die Oasenkultur wurde in den 1970er Jahren von dem russischen Archäologen Wiktor Iwanowitsch Sarianidi entdeckt – in einem Gebiet, das von ihm Bactria-Margiana Archaeological Complex genannt wurde (BMAC, nach den antiken Bezeichnungen für die Regionen Baktrien und Margiana). Sarianidi widmete der Erforschung jener Kultur Jahrzehnte seines Lebens. Bedeutende Überreste fand er in der Daschly-Oase. Im Süden Usbekistans erfolgen seit 1973 Ausgrabungen in Jarqoʻton, einer der größten Siedlungen der Oasenkultur. Seit ein paar Jahren gräbt der italienische Archäologe Gabriele Rossi-Osmida unter anderem in Adji Kui.

2001 kam die Vermutung auf, dass die Oasenkultur eine eigene Schrift entwickelt habe. Diese wäre etwa 2300 v. Chr. entstanden, zwar später als die Schrift in Ägypten und Mesopotamien, aber weit früher als in China. Strittig ist allerdings, ob es sich um eine Schrift oder um Piktogramme handelt.

BMAC und Indoiraner

Einige Wissenschaftler vertreten die Hypothese, dass die Träger der Oxus-Kultur sprachlich noch keine Indoiraner waren, sondern es möglicherweise Zusammenhänge mit ihnen benachbarten Völkern gibt, die in der mythologischen Rigveda als besiegte Gegner dargestellt werden:

“The geographic location of the BMAC … conforms, it is argued, with the historical situation of the Da(h)a and Parnoi mentioned in Greek and Latin sources, which have, in turn, been identified with the Dasas, Dasyus, and Panis of the Rig Veda who were defeated by the Vedic Arya.”

„Die geografische Lage des BMAC … stimmt mit der historischen Lage der Da(h)a und Parnoi überein, die in griechischen und lateinischen Quellen erwähnt wurden und mit den Dasas, Dasyus und Panis des Rig Veda identifiziert werden, welche von den vedischen Ariern besiegt wurden.“

James P. Mallory[6]

Ausgegrabene Ruinen haben angeblich Ähnlichkeiten mit Komplexen, die in dem Rigveda beschrieben sind, und es scheint auch Belege für den Soma-Kult zu geben.

Literatur

  • Igor N. Chlopin: Jungbronzezeitliche Gräberfelder im Sumbar-Tal, Südwest-Turkmenistan (= Materialien zur allgemeinen und vergleichenden Archäologie. Band 35). Beck, München 1986, ISBN 3-406-31539-9.
  • Beate Luckow: Turkmenistan entdecken: versunkene Wüstenstädte an der Seidenstrasse. Trescher, Berlin 2006, ISBN 3-89794-061-2.
  • Viktor Sarianidi: Die Kunst des alten Afghanistan. Architektur, Keramik, Siegel, Kunstwerke aus Stein und Metall. VCH, Acta Humaniora, Weinheim 1986, ISBN 3-527-17561-X.

Englisch:

  • Fredrik T. Hiebert: Origins of the Bronze Age. Oasis Civilization in Central Asia (= American School of Prehistoric Research. Bulletin. Band 42). Harvard University, Cambridge MA 1994, ISBN 0-87365-545-1.
  • Andrew Lawler: Middle Asia Takes Center Stage. In: Science. Band 317, Nr. 5838, 2007, S. 586–590, doi:10.1126/science.317.5838.586.
  • Giancarlo Ligabue, Sandro Salvatori (Hrsg.): Bactria. An ancient oasis civilization from the sands of Afghanistan. (= Centro Studi Ricerche Ligabue. Studi e documenti. Band 3). Erizzio, Venedig 1995, ISBN 88-7077-025-7.
  • Gabriele Rossi-Osmida (Hrsg.): Margiana. Gonur-depe Necropolis. 10 years of excavations by Ligabue Study and Research Centre. Il Punto Edizione, Padua 2002, ISBN 88-88386-02-5.
  • Gabriele Rossi-Osmida: Adji Kui Oasis. III – II mill. BC. Band 1: La Cittadella delle Statuette. The Citadel of the Figurines. Heýkelleriñ sitadeli. Il Punto Edizioni, Trebaseleghe 2007, ISBN 978-88-88386-13-3.
  • Viktor Ivanovich Sarianidi: Togolok 21, an Indo-Iranian temple in the Karakum. In: Bulletin of the Asia Institute. New Series Band 4, 1990, ISSN 0890-4464, S. 159–165.

Dokumentarfilme

  • Marc Jampolsky: Karakum, die Totenstadt in der Oase (auch: Karakum. Vergessene Wüstenstädte). Arte France, Frankreich 2001 (45 Minuten; Info (Memento vom 29. September 2007 im Internet Archive)).
  • Marc Jampolsky: Karakum, Geheimnisse der schwarzen Wüste. Arte France, Frankreich 2004 (52 Minuten; Info).

Weblinks

Commons: Oasenkultur – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Douglas Q. Adams: Encyclopedia of Indo-European Culture. Taylor & Francis, Abingdon 1997, ISBN 1-8849-6498-2.
  2. Sylvia Winkelmann, Pierre Amiet, Gabriele Rossi Osmida: Seals of the oasis. From the Ligabue collection. Il Punto Edizione for Ligabue Study and Research Centre, Venice 2004, ISBN 88-88386-09-2.
  3. Sylvia Winkelmann (2008): Animali e miti nel Vicino Oriente Antico = Animals and myths in ancient Near East. Auf: www.academia.edu abgerufen am 21. November 2013.
  4. F. A. Hiebert: Origins of the Bronze Age. Oasis Civilization in Central Asia. Cambridge (MA) 1994, S. 174–175.
  5. F. A. Hiebert: Origins of the Bronze Age. Oasis Civilization in Central Asia. Cambridge (MA) 1994, S. 40.
  6. James P. Mallory in Douglas Q. Adams: Encyclopedia of Indo-European Culture. Abingdon 1997, S. 73.

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