König von Haithabu

Dänemark zur Wikingerzeit

Als Könige von Haithabu bezeichnet man eine dänische Dynastie, die vom Ende des 8. bis zum Ende des 9. Jahrhunderts, d. h. etwa 100 Jahre lang, eine historische staatliche Struktur in Skandinavien mit dem Zentrum Haithabu regierte, die als Vorläufer des später vereinigten Königreichs Dänemark angesehen wird. Von einem Königreich Haithabu kann man jedoch nur sehr bedingt sprechen, da die territorialen Besitzungen dieser Könige sehr variabel und oft über verschiedene Teile Skandinaviens verstreut waren und daher typische Staatsmerkmale wie ein klar umrissenes Staatsgebiet und ein eindeutig abgegrenztes Staatsvolk fehlen.

Die Anfänge der Dynastie lassen sich einigermaßen verlässlich bis an die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts zu einem König namens Sigfred, auch Sigfried oder Sigurd genannt, zurückverfolgen, der von etwa 777 bis 798 regierte und als erster König von Haithabu gilt.[1] Insgesamt zählt man in der rund hundertjährigen Geschichte der Dynastie 16 Könige, denen jedoch wegen andauernder interner Rivalitäten und äußerer Konflikte mit skandinavischen oder fränkischen Herrschern in der Regel nur eine kurze Regierungszeit beschieden war. Der wohl bedeutendste Vertreter des Hauses war Godfrid Halfdanson der von 807 bis 810 als 6. König von Haithabu regierte und die Stadt zum Zentrum seines Reiches machte, das nicht nur Jütland, sondern auch weite Teile Skandinaviens wie Westerfold, Värmland, Hedmark und Vestmar umfasste.

Grundlage der Herrschaft der Könige von Haithabu war die wirtschaftliche und strategische Bedeutung der Stadt Haithabu, die sich dank der verkehrsgünstigen Lage am Isthmus zwischen Nordsee und Ostsee im Süden der Halbinsel Jütland zum regionalen Hauptumschlagsplatz für den Handel zwischen Skandinavien, Westeuropa, dem Nordseeraum und dem Baltikum und damit zu einem wirtschaftlichen und auch machtpolitischen Faktor entwickelte. Diese Blüte währte jedoch nicht lange, da Haithabu in der Mitte des 11. Jahrhunderts zerstört, von der Bevölkerung verlassen und anschließend jahrhundertelang vergessen wurde. Erst im 20. Jahrhundert erfolgten Ausgrabungen, die einen Blick in das Alltagsleben zur Zeit der Könige von Haithabu erlauben.

Haithabu als Grundlage der Herrschaft

Karte, aus der die Lage der Schlei, der Trene und der Eider ersichtlich ist

Das namensgebende Zentrum dieses staatlichen Gebildes war die Wikingersiedlung und spätere Stadt Haithabu (altnordisch Heiðabýr aus heiðr ‚Heide‘, und býr ‚Hof‘; (etwa „Heidehof“) dänisch/schwedisch: Hedeby, lateinisch: Heidiba), die bis zur Abtretung dieses Gebietes an Deutschland im 19. Jahrhundert als die älteste Stadt Dänemarks galt.

Haithabu wird erstmals 804 in der Vita Caroli Magni (Leben Karls des Großen) von Einhard, dem Leiter der Hofschule Karls des Großen erwähnt.[2] Die Ansiedlung, die Jahrzehnte vor diesem Zeitpunkt von unabhängigen schwedischen Wikingern als Handelsniederlassung gegründet worden war, wurde später von dänischen Fürsten unterworfen.

Bereits zu Beginn des 9. Jahrhunderts gewann die Ansiedlung überregionale Bedeutung, da, wie die Reichsannalen, die Annales regni Francorum berichten,[3] der sechste König von Haithabu, Godfrid Halfdanson (807–810), im Jahre 808 ein konkurrierendes slawisches Handelszentrum namens Reric, das vermutlich in der Nähe von Wismar gelegen war, zerstörte und die Kaufleute veranlasste, von dort nach Haithabu zu übersiedeln.[4] Ihm wird auch die Verstärkung des Danewerks (dänisch: Danevirke), der bereits im Jahre 737 begonnenen Verteidigungsanlagen, zugeschrieben.[5] die sich als Erdwall im Süden von Jütland von Ost nach West quer über die Halbinsel erstreckte. Auch die Einbeziehung der Mauern von Haithabu in das Danewerk wird ihm zugeschrieben.

Entscheidend für den Aufstieg von Haithabu war die strategische Lage am zwischen Nordsee und Ostsee im Süden der Halbinsel Jütland. Der Ort lag am Ende der Schlei, die ein für Schiffe von der Ostsee aus befahrbarer Wasserweg ist. Von dort aus musste die Waren nur rund 15 km über Land bis zum Fluss Treene transportieren werden, von wo aus sie per Schiff über die Eider in die Nordsee gebracht werden konnten. Dadurch war es möglich, die aufwändige und durch das Skagerrak gefährliche Umfahrung der Halbinsel Jütland zu vermeiden. Hinzu kommt, dass ganz in der Nähe eine uralte Nord-Süd-Route des Handels, der so genannte Ochsenweg, verlief und dass die einige Kilometer südlich von Haithabu fließende Eider seit 811 die Grenze zum Frankenreich markierte, was wesentliche Handelsvorteile brachte.

Haithabu entwickelte sich daher unter aktiver Förderung der herrschenden Dynastie ab der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts zum Hauptumschlagsplatz für den Handel zwischen Skandinavien, Westeuropa, dem Nordseeraum und dem Baltikum, wobei die Handelsbeziehungen gelegentlich selbst bis Konstantinopel und Bagdad reichten. Dadurch wuchs die Ansiedlung, sodass Haithabu im frühen Mittelalter nach Uppåkra (im südschwedischen Schonen) mit rund 1500 Einwohnern zur zweitgrößte Stadt in Skandinavien und damit zur ältesten dänischen Stadt wurde.

Früh dürfte in Haithabu eine königliche Münze bestanden haben, wo die in Dorestad hergestellten Silbermünzen Karls des Großen kopiert wurden.[6] und wo noch zur Zeit von König Knut von Dänemark Münzen hergestellt wurden.[7]

Schon um 850, wahrscheinlich durch Erzbischof Ansgar von Hamburg, wurde in Haithabu die erste christliche Kirche errichtet, deren Existenz zwar in den Schriftquellen belegt ist, jedoch bisher archäologisch noch nicht nachgewiesen werden konnte. Immerhin wurde bei Ausgrabungen eine aus dem frühen 10. Jahrhundert stammende Kirchenglocke gefunden.

Haithabu Lageplan-MJ

Die Dynastie

Die Könige von Haithabu

Sowohl in Seeland wie in Jütland gab es im frühen Mittelalter eine Reihe rivalisierender Kleinkönigreiche, die sich in Jütland bis zu der Zeit von König Gorm dem Alten (* vor 900, † um 958) hielten. Aus einer dieser Dynastien entwickelte sich das Haus der Könige von Haithabu.[8]

Als erster historisch fassbarer König von Haithabu und Stammvater der Dynastie gilt Sigfred I., auch Sigefrid oder Sigurd genannt (* um 750, † 798), der von etwa 777 bis 798 regierte.[9] Über seine Herkunft bestehen jedoch widersprüchliche Theorien.

Die eine These folgt der Überlieferung der isländischen Sagas, wonach Sigfred schwedischer Herkunft war, da er dort mit Sigurd Ring Randversson (* um 770–812) aus dem Geschlecht der Skjoldungen, identifiziert wird, der von seinem Onkel Harald Hildetand (Harald Kriegszahn), König in Schweden und Dänemark, zum Unterkönig in Uppland (in Schweden) eingesetzt wurde, jedoch seinen alternden Onkel um 740/50 in der Schlacht von Bråvalla (in Östergötland) besiegte und dadurch zum König in Västergötland Svealand und Dänemark aufstieg.[10] Er war der Vater von König Ragnar Lodbrok, der nach der Tradition von 812 bis 845 in Dänemark regierte.

Die andere These stützt sich auf urkundliche Hinweise, wonach Sigfred I. nicht schwedischer, sondern dänischer Herkunft und vermutlich ein Nachkomme von König Angantyr (Ongendus) war. Dieser gilt als erster dänischer König, der in zeitgenössischen Quellen erwähnt wird, da er in der Lebensbeschreibung des Heiligen Willibrord Bischof von Utrecht (695–739) erscheint, der ihn um das Jahr 710 – vergeblich – zu missionieren versuchte. Diesem König wird auch die um das Jahr 737 begonnene Errichtung des ersten Danewerks zugeschrieben.[11][A 1]

Einen Höhepunkt der Machtentfaltung der Könige von Haithabu stellt die Regierungszeit von König Godfrid Halfdanson dar, der Haithabu zu Beginn des 9. Jahrhunderts zum Zentrum seines Reiches machte und neben großen Teilen von Jütland zugleich u. a. als König in Westerfold, in Hedeland, in Värmland (Provinz im Südwesten Schwedens), in Hedemarken (Bezirk in der heutigen Provinz (Fylke) Hedmark im Südwesten von Norwegen) und in Vestmar (Grenland, Bezirk in der norwegischen Provinz Telemark) regierte. Nach anderen Quellen erstreckte sich sein Reich von Schleswig über Fünen, Seeland und die übrigen Inseln bis nach Schonen.[12] Er gilt als erster Einiger Dänemarks.

Bedeutend war auch Harald Klak Halfdansson (* um 800, getauft 826 in Mainz, † fällt bei Walcheren 844), 10. König von Haithabu (812–814), König in Jütland (813–819, 827–839, 840–844), König von Friesland (832–844), Herr von Rüstringen (im Mittelalter ein friesischer Gau) (819–827) – als Lehen von Kaiser Ludwig dem Frommen – Mitregent im Lande Stormarn und im Land der Abotriten.

Godfrid Haraldson trug durch seine Tochter Reinhilde/Reginlind Godfridsdotter, die Thiadrich aus der Familie der Immedinger heiratete, dazu bei, dass diese Dynastie über die weibliche Linie fortlebte, zu der nicht nur praktisch alle europäischen Herrscherdynastien, sondern heute auch eine große Zahl von Menschen aller Stände zählt.

Die Bedeutung der Herrscher von Haithabu zeigt sich darin, dass sie in wechselnden – manchmal friedlichen, sogar verwandtschaftlichen, oft aber kriegerischen – Beziehungen zu den südlichen, erst sächsischen, dann fränkischen Nachbarn standen und auch dadurch, dass die Stadt frühzeitig Ziel auswärtiger Reisender war. So etwa wurde die Stadt von dem vermutlich angelsächsischen Reisenden Wulfstan von Haithabu besucht und in dessen Reisebericht erwähnt, der – zusammen mit dem Bericht eines anderen Reisenden, Ottar von Halogaland – durch Zufall überlebte, da beide in die von Alfred dem Großen, König von England (871–899), veranlasste Übersetzung der Historiae adversum Paganos des spätantiken Historikers Paulus Orosius († um 480), eingefügt worden waren. Demnach unternahm dieser Wulfstan um das Jahr 880 eine Seereise durch die dänischen Meerengen nach „Haedum“ (Haithabu) und weiter entlang der südlichen Ostseeküste bis zur Handelsniederlassung Truso und erwähnte in seiner Beschreibung neben Haithabu zum ersten Mal den Namen „Dänemark“.[13]

Trotz des zumeist frühzeitigen Todes der Familienmitglieder durch ständige Kriege und wiederholte Mordanschläge hielt sich die Dynastie, aus der in hundert Jahren 16 Herrscher hervorgingen, bis zum Ende des 9. Jahrhunderts und erlosch in männlicher Linie mit Knut Rurikson, der als 16. König von Haithabu und König von Northumberland im Jahre 894 starb.[14]

Stammtafel der Könige von Haithabu

Diese beruht primär auf der Darstellung in den Europäischen Stammtafeln[15] sowie auch auf Charles Cawleys Medieval Lands.[9]

Angantyr (Ongendus) war ein legendärer dänischer König, der um 710/737 regiert haben soll und im Bericht des Heiligen Missionars Willibrord wenig schmeichelhaft als „Wilder als jedes Tier und härter als Stein“ beschrieben wurde. Er wird als vermutlicher Stammvater der Könige von Haithabu angesehen.[16] Angantyr erscheint weder in der Stammtafel der Könige von Haithabu in den Europäischen Stammtafeln noch bei Charles Cawley im Zusammenhang.

(Eine oder mehr Zwischengenerationen)

  1. Sigfred/Sigurd gilt als 1. König von Haithabu (*um 750, † 798). Die Annales Fuldenses[17] berichten, dass „Sigifridi regis Danorum“ (Sigfried König der Dänen) „Halfdan“ mit anderen als Gesandter zu Karl dem Großen zu einem Treffen bei „Lippia“ entsandte. In den Reichsannalen Annales regni Francorum wird zum Jahr 777 erwähnt, dass Widukind der einzige sächsische Große war, der nicht am Reichstag zu Paderborn bei Karl dem Großen erschien, sondern beim dänischen König Sigfred weilte, der ihm im Jahre 783 Zuflucht gewährte (und zu seinem Schwager machte).
    1. Onund Sigfredson (* um 790)
  2. Harald (* um 750, † gefallent in der Irischen See 804), 2. König von Haithabu (798–804) ⚭ Imhild von Engern, eine Tochter des Grafen Warnechin von Engern und der Kunhilde von Rügen.
    1. Halfdan Haraldson (* 775/80, † gefallen bei Walcheren 810), 3. König von Haithabu (804), wurde 807 Vasall von Kaiser Karl dem Großen.
      1. Hemming Halfdanson (* um 795, † gefallen bei der Abwehr eines Angriffes von Wikingern bei Walcheren 837),[18] geriet in fränkische Gefangenschaft, wurde 812 befreit und erhielt die Festung Walcheren in Friesland von den Franken.
      2. Anulo (Ali) Halfdanson (* vor 800,† gefallen in der Schlacht bei Haithabu 812), 9. König von Haithabu.
        1. Rörik Alison (* um 800, getauft in Mainz 826, † 882) König von Dorestad und Sylt, wurde 850 als fränkischer Herzog anerkannt.
      3. Harald Klak Halfdansson (* um 800, getauft 826 in Mainz, † gefallen bei Walcheren 844), 10. König von Haithabu (812–814), König von Friesland (832–844), von Rüstringen (im Mittelalter ein friesischer Gau) (819–827), König in Jütland (813–819, 827–839, 840–844) Mitregent im Lande Stormarn und im Land der Abotriten.
        1. Godfrid Haraldson (cl. 857, † ermordet 885/886) 5. König von Haithabu (862–880/85), 853 König von Dorestad 853, 844–885 König von Rüstringen, wurde 826 mit seinen Eltern und 400 Personen des Gefolges in Mainz getauft, wobei der spätere Kaiser Lothar I. sein Taufpate war. ⚭ 882 Gisela von Lothringen, aus dem Haus der Karolinger (* um 865, † nach 908), eine außereheliche Tochter von Lothar II. König von Lotharingien (855–869).
          1. Reinhilde/Reginlind Godfridsdatter von Haithabu († 917), ⚭ vor 900 Dietrich II. Graf im sächsischen Hamaland (von Ringelheim) aus der Familie der Immedinger († 8. Februar 917) ? (Nachkommen: siehe unten im Abschnitt Nachleben der Dynastie).
        2. Rolf Haraldson (* um 820, † 870).
        3. Guthorm Haraldson (* 820/23, † gefallent 854).
        4. Gisela Haraldsdatter (* um 830, † nach 854) ⚭ Erik (Mit-)König von Haithabu († nach 991) (ohne Nachkommen).
      4. Rurik (Horik) Halfdanson (* um 800, getauft 826, † fällt bei Walcheren 844) folgt auf Harald Klak[19] als 11. König von Haithabu (812–814); König von Friesland (832–844).
        1. Knut Rurikson (* um 820, † 894), 16. – und letzter – König von Haithabu (885–891) 894 König von Northumberland.[A 2]
      5. Ragnfrid Halfdanson († gefallen 814 vor Haithabu), 12. König von Haithabu (812–814).
    2. Harald Haraldson (* 775/780, † 804 ermordet in Haithabu), 4. König von Haithabu (804).
    3. Holger Haraldson „Danske“ (* 780, † 807).
  1. Halfdan Mildi (* um 750, † 802, begraben in Borre), König von Westfold zu Holte ⚭ Lif, Erbtochter von König Dag von Westmare.
    1. Sigurd Halfdanson († fällt bei Bardowick 810), 5. König von Haithabu (804–810).
      1. Ragnvald Sigurdson von Haithabu († gefallen 808 im Kampf gegen die Abotriten).[20]
      2. Hemming Sigurdson († 812), 7. König von Haithabu (810–812), schloss 811 einen Friedensvertrag mit Kaiser Karl dem Großen, durch den die Eider als Grenze der beiden Reiche bestimmt wurde[21] und vertrieb seinen Cousin Horik I./ Erik I., starb aber schon 812.
      3. Sigurd (Sigfrid) Sigurdson 8. König von Haithabu († gefallen im Sommer 812 bei Haithabu).
      4. Hakon (Helkwin) Sigurdson von Haithabu († gefallen im Sommer 812 bei Haithabu).
      5. Agantyr Sigurdson von Haithabu († gefallen im Sommer 812 bei Haithabu), Mitunterzeichner des Friedensvertrages von 811.[22]
    2. Godfrid Halfdanson, auch Godefrid, (dänisch Gudrød) genannt, 6. König von Haithabu (807–810), König von Westerfold, Hedeland Värmland, Westmare und Hedemarken, († ermordet 810). Er kämpfte gegen Karl den Großen, gilt durch seinen umfangreichen Territorialbesitz als erster Einiger Dänemarks und auch als Erneuerer des Danewerks.
      1. Olav Godfridson (* um 780, † 827), König von Westfold (810–827).
        1. Ragnvald Olavson, König von Westfold.
      2. Erik I. Godfridson (* 780/85, † 854), 13. König von Haithabu (813–854). Er rang mit seinem Cousin König Harald Klak um die Herrschaft im südlichen Jütland und mit den karolingischen Herrschern um die Oberhoheit über die Friesen, die Nordalbingier und die Abodriten.
        1. Erik (II.) Erikson (* um 800, † nach 870), 14. König von Haithabu (854 – 862).
          1. Erik (III.) Erikson (* um 830, † nach 891), (Mit-)König von Haithabu, ⚭ Gisela von Haithabu (* um 830, † nach 854), eine Tochter von Harald Klak, 10. König von Haithabu
        2. Sigurd Erikson, 15. (Mit-)König von Haithabu (855–862), († gefallen 862)
        3. Ragnhild Erikssdatter „die Reiche“ von Haithabu, ⚭ um 894 Harald Schönhaar, König von Norwegen.
      3. Godefrid Godfridson (* um 785, † gefallen vor Haithabu 814).
      4. Rolf Godfridson (* um 790, † gefallen in Friesland 836).
      5. Ragnar Godfridson (* um 790, † gefallen in Friesland 836).
  1. Geva von Haithabu (* um 755 in Jütland, † 807), ⚭ um 775 Widukind († 7. Januar 810) Herzog der Sachsen (777/778).[23]

Nachleben

Nachleben der Dynastie

Durch den Tod von König Knut Rorikson erlosch die Dynastie der Könige von Haithabu im Jahre 894 in männlicher Linie. In weiblicher Linie erlosch das Haus mit dem Ableben von Reinhilde/Reginlind Godfridsdatter von Haithabu im Jahre 917. Dies bedeutete jedoch nicht das biologische Ende der Dynastie, da sich ihre Nachkommenschaft durch ausheiratende Töchter in fast allen europäischen Herrscherhäusern verbreitete. Wegen der geringen urkundlichen Erfassung sind nicht alle Töchter des Hauses überliefert, von dreien ist jedoch eine Nachkommenschaft bekannt.

  • Geva von Haithabu (* um 755 in Jütland, † 807), die Schwester von Sigfred/Sigurd, dem 1. König von Haithabu ⚭ um 775 Widukind († 7. Januar 810), Herzog der Westfalen (Sachsen) (777/778), den Stammvater des sächsischen Adelsgeschlechts der Immedinger.[24][25] Aus diesem Haus heiratete später Dietrich II., Graf im sächsischen Hamaland (von Ringelheim) (cl. 900, † nach 929) Reinhilde von Haithabu (+ 917), wodurch dessen Nachkommen zweifach von den Königen von Haithabu abstammen.
  • Ragnhild Eriksdotter „die Reiche“ von Haithabu, ⚭ Harald Schönhaar (* 860, † 940), König von Norwegen (als dessen 6. (oder 10.) Ehefrau)
  1. Erik Blutaxt Haraldson (* 895, † (ermordet) 954), König von Norwegen 930–935, Jarl (König) von Northumbrien 947–948 und 952–954, ⚭ Gunnhild Gormsdottir von Dänemark († nach 970), eine Tochter von König Gorm dem Alten von Dänemark. König Erik hatte acht unvermählte Söhne, darunter
    1. Harald II. Eriksson, genannt „Graufell“ († fällt 970), König von Norwegen 960–970, und eine Tochter,
    2. Ragnhild Eriksdatter von Norwegen, die mit drei Brüdern verheiratet war, die als Jarle von Orkney regierten. Keines der Kinder Eriks hinterließ jedoch eine bekannte Nachkommenschaft.
  • Ragnhild/Reinhilde Godfridsdatter von Haithabu († 917), ⚭ vor 900 Dietrich II., Graf im sächsischen Hamaland (von Ringelheim) aus der Familie der Immedinger. Dieser war selbst ein Nachkomme der Geva von Haithabu und des Sachsenherzogs Widukind. Das Ehepaar hinterließ sieben Kinder, wobei die älteste Tochter Mathilde die Heilige (* um 895 in Enger; † 14. März 968 in Quedlinburg) aus ihrer im Jahre 909 geschlossenen Ehe mit Heinrich I. den Vogler (* um 876, † 2. Juli 936), König des Ostfrankenreichs (919–936), eine bedeutende Nachkommenschaft hinterließ (darunter die Kaiser Otto der Große, Otto II. und Otto III., die Salier, die österreichischen Babenberger und die Staufer sowie die Kapetinger und die Piasten) die sich auf fast alle europäischen Dynastien verbreitete, wodurch das genealogische Erbe der Könige von Haithabu bis heute fortlebt.

Nachleben von Haithabu

Der Abgang der Dynastie der Könige von Haithabu und damit das Verschwinden des von ihnen geschaffenen staatlichen Gebildes hatte jedoch keinerlei nachteilige Wirkung auf die Entwicklung der Stadt, die im zehnten Jahrhundert den Höhepunkt ihrer Bedeutung als Handelszentrum erreichte. Diese positive Entwicklung erweckte naturgemäß die Begehrlichkeit benachbarter Mächte, wodurch Haithabu zum begehrten Streitobjekt zwischen skandinavischen und fränkischen Machthabern wurde, die sich im Besitz des Zentrums des ehemaligen Königreiches abwechselten.

Zunächst übernahmen um das Jahr 900 schwedische Wikinger die Macht in Haithabu. Später kam es zu Auseinandersetzungen zwischen dänischen Herrschern und Herrschern des Heiligen Römischen Reiches. Heinrich I. der Vogler, König im Ostfrankenreich, der durch seine Frau Mathilde von Ringelheim mit der Dynastie der Könige von Haithabu verbunden war, besiegte nach der Sachsengeschichte Rerum gestarum Saxonicarum libri tres des Widukind von Corvey[26] im Jahre 934 die Dänen unter König Knut I.[27] in der „Schlacht von Haithabu“ und zwang König Knut zur Taufe. Damit fiel das Gebiet zwischen der Eider und der Schlei zunächst an das Ostfränkische Reich. Im Jahre 945 gelang es hingegen dem dänischen König Gorm „dem Alten“, den wichtigen Handelsplatz für die dänische Seite zurückzuerobern.[28][29]

Einen Blick auf das Haithabu des 10. Jahrhunderts, das sich nur wenig vom Haithabu der Königszeit unterschieden haben dürfte, erlaubt der Reisebericht des Ibrâhîm ibn Ya`qûb al-Tartushi, der im Auftrag des Kalifen Abd ar-Rahman III. von Córdoba um 961/62 weite Teile Europas, bereiste und u. a. Haithabu besuchte. Der Bericht ist auszugsweise im Werk des Abu Abdullah al-Bakri († 1094), Buch der Königreiche und Wege, erhalten.[30] Er beschreibt Haithabu als eine große Siedlung am anderen Ende des Weltmeeres. In der Stadt gebe es nicht viele Güter und Reichtümer, aber Brunnen mit frischem Wasser. Einige wenige Christen besäßen zwar eine eigene Kirche, aber ansonsten verehrten die Einwohner den Sirius – der für die Mauren ein Synonym für das Heidentum war ,– dem zu Ehren Ess- und Trinkgelage veranstaltet würden. Wenn ein Mann ein Opfertier schlachte, dann hänge er es vor seinem Haus an einem Pfahl auf, damit die Vorübergehenden sein Opfer sehen können. Erstaunt zeigte sich Al-Tartusi über die lokalen Bräuche – etwa darüber, dass Neugeborene im Meer ausgesetzt wurden, um sich der Mühe der Aufzucht zu entledigen, oder dass Frauen nach ihrem Willen das Recht in Anspruch nähmen, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen. Sowohl Frauen wie Männer würden sich die Augen schminken, um schön zu sein. Besonders schwer tat sich der schöngeistige Maure mit der Artikulation der Nordleute. So schrieb er: „Der entsetzliche Gesang dieser Menschen ist unbeschreiblich – er ist schlimmer als des Bellen von Hunden.“[31]

Der Kampf um die Kontrolle des wichtigen Handelszentrums Haithabu wurde inzwischen unvermindert fortgesetzt: Der Sohn von König Gorm, König Harald Blauzahn von Dänemark und von Norwegen († vor 988), verlor im Jahre 974 Haithabu an König Otto II., konnte jedoch die Stadt im Jahre 983 wieder unter seine Kontrolle bringen.

Wenige Jahrzehnte später wollte Harald Hardrada, König von Norwegen (1047–1066), sich in Abwesenheit des rechtmäßigen Besitzers, Sweyn II. Estridsson, König von Dänemark (1047–1074), in den Besitz des bedeutenden Handelszentrums setzen, worauf es im Jahre 1050 bei Haithabu zu einer Schlacht zwischen den beiden Armeen kam. Obwohl Haithabu durch einen neun Meter hohen Wall mit Palisaden geschützt war, fand die größte Wikingerstadt des Nordens ihr Ende durch Zerstörung und Feuer. Nach einem teilweisen Wiederaufbau wurde Haithabu 1066 von Westslawen, die damals in den Gebieten östlich der Kieler Förde lebten, geplündert, gebrandschatzt und endgültig zerstört. Die Restbevölkerung baute die Siedlung nicht wieder auf, sondern übersiedelte auf das andere Ufer der Schlei nach Schleswig, das später die Rolle Haithabus als regionales Handelszentrum übernahm. Bemerkenswert ist, dass das Ende Haithabus im selben Jahr erfolgte, wie die Schlacht von Stamford Bridge und daher mit dem Ende der Wikingerzeit zusammenfällt.

WMH Langschiff 02-06-2013 das 1050 in der Schlacht bei Haithabu sank

Das Gelände der Stadt blieb dann neun Jahrhunderten lang verlassen und vergessen. Politisch folgte es dem Schicksal von Schleswig-Holstein, das 1864 einem österreichisch-preußischen Kondominium unterstellt wurde und 1866 von Preußen annektiert wurde. Heute liegt es in der Bundesrepublik Deutschland und ist Teil der Gemeinde Busdorf bei Schleswig im Kreis Schleswig-Flensburg.

Erste archäologische Ausgrabungen fanden ab 1900 am Gelände der verschwundenen Stadt, an den Gräberfeldern und an den ehemaligen Befestigungsanlagen statt, die nach 1953 vom Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte in Schleswig intensiviert wurden, wobei u. a. auch das Hafenbecken und das Wikingerschiff Haithabu 1 gefunden wurde, das in der Schlacht von 1050 zerstört wurde, mit rund 30 Metern eines der längsten Wikingerschiffe der Welt und aus Holz gebaut war, das um das Jahr 985 geschlagen worden ist.

Aufgrund der beachtliche Ergebnisse der Ausgrabungen, die u. a. die Rekonstruktion von Häusern aus der Zeit der Könige von Haithabu ermöglichten, gelten die Überreste von Haithabu – gemeinsam mit dem Danewerk – als das bedeutendste archäologische Bodendenkmal in Schleswig-Holstein Dies führte 1985 zur Schaffung des Wikinger Museums Haithabu, das in der Nähe des historischen Siedlungsplatzes in Busdorf bei Schleswig angelegt wurde.

File Haithabu Wikinger Museum 3 28-03-2010

Quellen

  • Widukind von Corvey, Sachsengeschichte (Rerum gestarum Saxonicarum libri tres)[26]
  • Annales Fuldenses in: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte. Teil 3: Jahrbücher von Fulda, Regino: Chronik, Notker: Taten Karls. Bearb. von Reinhold Rau. 4., gegenüber der 3. um einen Nachtrag erweiterte Auflage. Darmstadt 2002, S. 19–177 (lateinischer Text und deutsche Übersetzung).
  • Annales regni Francorum (Annales Laurissenses maiores et Einhardi)[32]
  • Annalen von St. Bertin (Annales Bertiniani) im Repertorium „Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters[33]
  • Alcuin’s Life of St. Willibrord Übersetzung von C. H. Talbot in The Anglo-Saxon Missionaries in Germany (London und New York, 1954), Abschnitte 9–10. (englisch) Alcuin’s Life of St. Willibrord

Literatur

  • Volker Helten: Zwischen Kooperation und Konfrontation: Dänemark und das Frankenreich im 9. Jahrhundert. Köln 2011.
  • Gwyn Jones: A History of the Vikings. Second Edition, Oxford University Press 1990, ISBN 0-19-215166-5.
  • Arnulf Krause: Die Welt der Wikinger. Nilol Verlag, Hamburg 2012, ISBN 978-3-86820-183-3.
  • Walter Markov, Alfred Anderle, Ernst Werner, Herbert Wurche: Kleine Enzyklopädie Weltgeschichte, Band 1, Seite 236. Leipzig 1979.
  • Rudolf Pörtner: Die Wikinger-Saga. Econ Verlag, Düsseldorf, Wien 1990, ISBN 3-430-17517-8.
  • Sven Hakon Rossel: A History of Danisch Literature, 1992
  • Detlev Schwennicke: Europäische Stammtafeln, Neue Folge. Band I, Verlag J. A. Stargardt, Marburg, 1980
  • Detlev Schwennicke: Europäische Stammtafeln, Neue Folge. Band II, Verlag J. A. Stargardt, Marburg, 1984
  • Archäologisches Landesmuseum der Christian-Albrechts-Universität Schleswig (Hrsg.): Berichte über die Ausgrabungen in Haithabu. 34 Bde. Wachholtz, Neumünster 1963ff. ISSN 0525-5791
  • Klaus Brandt, Michael Müller-Wille, Christian Radke (Hrsg.): Haithabu und die frühe Stadtentwicklung im nördlichen Europa. Wachholtz, Neumünster 2002, ISBN 3-529-01812-0, (Schriften des Archäologischen Landesmuseums 8)

Siehe auch

Fußnoten

  1. Dieser „dänischen“ These folgt auch die Wikipedia in englischer und dänischer Sprache
  2. fehlt in Charles Cawley’s Medieval Lands

Einzelnachweise

  1. Detlev Schwennicke: Europäische Stammtafeln Neue Folge. Band II, Die außerdeutschen Staaten. Tafel 104; Verlag J. A. Stargardt, Marburg, 1984
  2. Oswald Holder-Egger (Hrsg.): Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 25: Einhardi Vita Karoli Magni. Hannover 1911 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat)
  3. Gwyn Jones: A History of the Vikings. Second Edition, Seite 99; Oxford University Press; 1990, ISBN 0-19-215166-5.
  4. Annales Regni Francorum (Memento des Originals vom 15. Oktober 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dmgh.de, S. 126 zum Jahr 808
  5. Sven Hakon Rossel: A History of Danisch Literature, 1992
  6. Gwyn Jones: A History of the Vikings. Second Edition, S. 5; Oxford University Press 1990, ISBN 0-19-215166-5
  7. Gwyn Jones: A History of the Vikings. Second Edition, S. 6; Oxford University Press 1990, ISBN 0-19-215166-5.
  8. Gwyn Jones: A History of the Vikings. Second Edition, Seite 51; Oxford University Press 1990, ISBN 0-19-215166-5
  9. 9,0 9,1 Charles Cawley: Medieval Lands
  10. Hervarar-Saga: Hervarar saga ok Heiðreks konungs
  11. Alcuin (cl. 735–804): Lebensbeschreibung des Heiligen Willibrord in Alcuin's Life of St. Willibrord, übersetzt in C. H. Talbot: The Anglo-Saxon Missionaries in Germany. (London and New York, 1954), Kapitel 9
  12. Westermanns Großer Atlas zur Weltgeschichte
  13. Anton Englert, Athena Trakadas (Hrsg.): Wulfstan’s Voyage. The Baltic Sea region in the early Viking Age as seen from shipboard. Maritime Culture of the North, Volume 2, Roskilde 2009, ISBN 978-87-85180-56-8.
  14. Detlev Schwennicke: Europäische Stammtafeln Neue Folge. Band II, Die außerdeutschen Staaten. Tafel 104; Verlag J. A. Stargardt, Marburg, 1984
  15. Europäische Stammtafeln, Neue Folge, Band II. Die außerdeutschen Staaten. Tafel 104; Verlag J. A. Stargardt, Marburg, 1984
  16. Alcuin’s Life of St. Willibrord Übersetzung von C. H. Talbot in „The Anglo-Saxon Missionaries in Germany“ (London und New York, 1954), Abschnitte 9–10. (englisch) Alcuin’s Life of St. Willibrord
  17. Annales Fuldenses 782, MGH SS I, S. 349
  18. Annales Fuldenses 837, MGH SS I, Seite 361
  19. Chronicon Roskildense I Seite 15
  20. Annales Fuldenses 808 MGH SS I. Seite 354
  21. Annales Regni Francorum 811, Monumenta Germaniae Historica (Memento des Originals vom 15. Oktober 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dmgh.de
  22. Einhardi Annales 811, MGH SS I. Seite 198
  23. Charles Cawley: Medieval Lands
  24. Detlev Schwennicke: Europäische Stammtafeln, Neue Folge. Band II, Tafel 104; Verlag J. A. Stargardt, Marburg, 1984
  25. Charles Cawley: Medieval Lands
  26. 26,0 26,1 Widukindus Corbeius: Rerum gestarum Saxonicarum libri tres
  27. Nach der Saga über die Geschichte der Ragnarsöhne (Þáttr af Ragnars Sonum) Kapitel 3 am Ende war er ein Sohn von Sigurd Schlangenauge und daher schwedischer Herkunft.
  28. Karl Ploetz: Auszug aus der Geschichte. Seite 163. Ploetz, Würzburg 1962.
  29. Walter Markov, Alfred Anderle, Ernst Werner, Herbert Wurche: Kleine Enzyklopädie Weltgeschichte. Band 1, Seite 236. Leipzig 1979.
  30. E. Lévi-Provençal: Art. "Abū ʿUbaid al-Bakrī" in The Encyclopaedia of Islam. New Edition Bd. I, S. 155b-157b.
  31. Arnulf Krause, Die Welt der Wikinger, Seite 200, Nilol Verlag Hamburg 2012 ISBN 978-3-86820-183-3
  32. Annales regni Francorum A 811 (Memento des Originals vom 18. Oktober 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dmgh.de
  33. Annales Bertiniani

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