Helvetia

Helvetia von Albert Walch auf dem Zweifrankenstück
Helvetia auf einer Briefmarke von 1881
Helvetia (rechts) mit Geneva (links), Skulptur im Jardin anglais in Genf
„Die Freiheit“ (Helvetia), Gemälde von Arnold Böcklin um 1891

Helvetia ist die vom Volksstamm der Helvetier abgeleitete neulateinische Bezeichnung für die Schweiz und eine allegorische Frauenfigur, welche die Schweiz bzw. die Eidgenossenschaft versinnbildlicht.

Entwicklung

Helvetia wurde erstmals im 17. Jahrhundert als aus den Kantonsallegorien gebündelte Frauengestalt und Identifikationsfigur für die Eidgenossenschaft erwähnt: Zuerst 1642 als rein geografisch zu verstehende Figur in der Topographia Helvetiae von Matthäus Merian d. Ä., dann 1672 als auch politisch zu verstehende Bühnenfigur in Johann Caspar Weissenbachs Stück Eydtgenossisch Contrafeth Auff- und Abnemmender Jungfrawen Helvetiae. Er und mehrere Künstler, die gleichzeitig Helvetia bildlich darstellten, schufen eine neue Identifikationsfigur für die Einheit der Eidgenossenschaft in Zeiten der Entzweiung vor allem durch konfessionelle Streitigkeiten. Diese zeugte auch vom gestiegenen Selbstbewusstsein und vom Anspruch auf einen souveränen Status, nachdem den eidgenössischen Orten im Westfälischen Frieden (1648) «Freiheit und Exemtion» vom Heiligen Römischen Reich gewährt worden war.

Mit dem wachsenden Nationalbewusstsein im 19. Jahrhundert und der Gründung des schweizerischen Bundesstaates 1848 gewann Helvetia als Nationalallegorie an Bedeutung. Sie erschien auf Münzen und Briefmarken und in politischen und patriotischen Darstellungen. So wurde z. B. zwischen 1883 und 1896 die Helvetia als Vorläuferin des Goldvrenelis herausgegeben.

Bis heute befindet sich das Bildnis der Helvetia auf den Münzen zu ½, 1 und 2 Franken (stehend). Das Porträt auf den Münzen zu 5, 10 und 20 Rappen bildet entgegen der landläufigen Meinung nicht die Helvetia, sondern die Libertas ab.

Heutige Verwendung des Begriffs

Auf Briefmarken und Münzen wird «Helvetia» als Landesbezeichnung verwendet, weil damit keine der vier Landessprachen (Deutsch, Französisch, Italienisch, Rätoromanisch) der Schweiz bevorzugt wird. Aus demselben Grund wurde das lateinische Landeskennzeichen CH gewählt, die Abkürzung für Confoederatio Helvetica, Schweizerische Eidgenossenschaft.

In irischer (an Eilvéis), griechischer (Ελβετία, translit. Elvetia) und rumänischer Sprache (Elveţia) wird der Ausdruck «Helvetia» als Landesname für die Schweiz verwendet, im Italienischen ist als Adjektiv elvetico (für schweizerisch) gebräuchlich.

Das «Einschweizern» von Dingen wird auch als helvetisieren bezeichnet. Das kann beispielsweise eine ausländische Software sein, die auf Schweizer Gegebenheiten angepasst wird[1] (beispielsweise Mehrwertsteuer), oder ein bundesdeutscher Text, der in Schweizer Hochdeutsch übertragen wird,[2] wie beispielsweise in der Werbung.[3] In der Sprachwissenschaft bezeichnet der Begriff Helvetismus einen Ausdruck, der für die schweizerische Standardvarietät charakteristisch ist. Wissenschaften zur Schweiz werden bisweilen als Helvetistik bezeichnet, beispielsweise von der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität in Moskau.

Helvetia in der Kunst

Die Helvetia über dem Vierwaldstätter See fliegend auf einer Medaille von Alphée Dubois auf die 600-jahrfeier der Eidgenossenschaft

An der Mittleren Brücke in Basel, auf der Kleinbasler Uferseite, befindet sich die Skulptur „Helvetia auf der Reise“, die 1980 von der Basler Künstlerin Bettina Eichin angefertigt wurde.

Literatur

  • Gianni Haver: Dame à l’antique avec lance et bouclier: Helvetia et ses Déclinaisons, in: Gonseth M.-O./Knodel B./Laville Y./Mayor G. (Hg.): Hors-champs. Eclats du patrimoine culturel immatériel, Musée d’ethnographie de Neuchâtel, 2013, S. 274–282.
  • Georg Kreis: Helvetia – im Wandel der Zeiten. Die Geschichte einer nationalen Repräsentationsfigur. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 1991, ISBN 3-85823-316-1.
  • Thomas Lau: «Stiefbrüder». Nation und Konfession in der Schweiz. Böhlau-Verlag, Köln u. a. 2008, ISBN 978-3-412-14906-2, S. 397–419, 455–459. (Zugleich Habil-Schrift 2005)
  • Thomas Maissen: Von wackeren alten Eidgenossen und souveränen Jungfrauen. Zu Datierung und Deutung der frühesten «Helvetia»-Darstellungen, in: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 56 (1999), S. 265–302.
  • Thomas Maissen: Die Schöpfung der Helvetia in der bildenden Kunst und in der Dichtung, in: Stefan Hess/Tomas Lochman (Hg.): Basilea. Ein Beispiel städtischer Repräsentation in weiblicher Gestalt, Basel 2001, S. 84–101.
  • Thomas Maissen: Die Geburt der Republic. Staatsverständnis und Repräsentation in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft (= Historische Semantik. Bd. 4). Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-36706-6, S. 253–277 (Zugleich: Zürich, Univ., Habil.-Schr., 2001).
  • Marie-Louise Schaller: Helvetia. Vorbilder – Wunschbilder. Begleitheft zur Ausstellung in der Zentralbibliothek Luzern, 15. Mai – 11. Juli 1998, Luzern 1998.
  • Angela Stercken, Enthüllung der Helvetia. Die Sprache der Staatspersonifikation im 19. Jahrhundert (= Historische Anthropologie. Bd. 29). Reimer, Berlin 1998, ISBN 3-496-02641-3 (Zugleich: Basel, Univ., Diss., 1996).

Weblinks

Commons: Helvetia – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Contact-Tracing: Bund lässt deutsche Software für 700'000 Franken «helvetisieren». Abgerufen am 9. September 2020 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value)).
  2. Sprachlupe: Wo man bei Vorständen nur Bahnhof versteht. Abgerufen am 9. September 2020.
  3. Beispiel eines entsprechenden Angebots einer PR-Agentur: Warum in der Schweiz ein Spital wichtiger als ein Krankenhaus ist

Die News der letzten Tage