Farnobius

Farnobius (* 4. Jahrhundert; † im Herbst 377) war ein greutungischer Reiterführer der Goten an der unteren Donau, der mit seinen Greutungen und ihnen verbündeten Taifalen und anderen Gotengruppen auf der Flucht vor den Hunnen die Donau überquerte.[1] Im Balkangebirge, zwischen dem Schipkapass und dem Pass am Succi, wurden die Reitergruppen des Farnobius jedoch noch im Jahr 377 von dem in Thrakien römische Truppen kommandierenden Comes Frigeridus abgefangen und fast vollständig vernichtet.[2]

Donauübergang

“Per hos dies interea etiam Viderichus Greuthungorum rex cum Alatheo et Saphrace, quorum arbitrio regebatur, itemque Farnobio propinquans Histri marginibus, ut simili susciperetur humanitate obsecrauit imperatorem legatis propere missis.[3]

„In jenen Tagen kam auch der Greuthungenkönig Vitherich mit Alatheus und Saphrax, die für ihn die Regentschaft führten, und dem Farnobus an die Donau und schickte schleunigst Gesandte, die den Kaiser ebenfalls um freundliche Aufnahme bitten sollten.[4]

Farnobius spaltete sich mit seiner Reitertruppe wohl spätestens im Frühjahr 377, doch in jedem Fall noch vor dem Überschreiten der Donau von den Greutungen unter Alatheus und Safrax ab. Unter den immer stärker werdenden Angriffen der Hunnen zerfiel im Jahr 376 auch der terwingisch-taifalische Stammesverband. Die Taifalen schlossen sich den Greutungen des Farnobius an. Mit den Taifalen und weiteren Gotengruppen, die nicht mit den übersetzenden Terwingen verbunden waren, jedoch ebenso vor den Hunnen flüchteten, erzwang sich Farnobius den Weg über den Donaulimes.[1] Die Greutungen unter Alatheus und Saphrax wie auch die Farnobius-Gruppe und die Taifalen drangen im Gegensatz zu den Terwingen des Fritigern, die sehr wahrscheinlich bei Durostorum-Silistr(i)a über die Donau setzen durften, vermutlich von Gutthiuda (Muntenien) illegal ins Römische Reich ein. Die zahlenmäßige Stärke der Reitertruppen des Farnobius lässt sich nur schätzen, doch müssen sie einen Großteil der Taifalen umfasst haben, da diese Taifalen auch nach der Gefangennahme und Deportation die Tradition des donauländischen Stammes fortsetzten und Siedlungen noch jahrhundertelang später nach ihnen benannt sind.[2]

Ende der Reitertruppen des Farnobius während des Gotenkriegs (376–382)

Der Schipkapass (rotes Viereck) im heutigen Umfeld.

Im Herbst des Jahres 377 wurde Frigeridus von Valens erneut nach Thrakien beordert, um am Schipkapass, von dem eine wichtige Straße in das südlich gelegene Tal der Maritza[5] führte, eine befestigte Verteidigungslinie aufzubauen.[2] Als die heranrückenden Goten versuchten, die Truppen des Frigeridus im Gebiet um Beorea einzukesseln, trat Frigeridus mit seinen Truppen den Rückzug an. Auf dem Weg in Richtung Westen über die Berge bis zum Pass am Succi[6] an der Grenze von Thrakien nach Illyrien, wo es die neuen Stellungen zu errichten galt, überraschten sie Farnobius mit seinen plündernden Greutungen und Taifalen.

“repedando enim congregatusque in cuneos sensim progrediens Gothorum optimatem Farnobium cum uastatoriis globis uagantem licentius occupauit ducentemque Taifalos nuper in societatem adhibitos; qui, si dignum est dici, nostris ignotarum gentium terrore dispersis transiere flumen direpturi uacua defensoribus loca.[3]

„Während er [Frigeridus] seinen Rückzug allmählich mit geschlossenen Waffen ausführte, überraschte er den Gothenfürsten Farnobius, der mit seinen Räuberhorden sorglos plünderte. Er hatte sich durch ein Bündnis mit den Taifalen verstärkt: diese, beiläufig bemerkt, hatten die Donau überschritten, um die anliegenden Länder zu brandschatzen, die von den Unsern bei dem Ueberfall durch jene bisher unbekannten Völker entblößt worden waren.[4]

Farnobius fiel, die Überlebenden – offensichtlich vor allem den Taifalen zugehörig – ergaben sich Frigeridus. Sie wurden im Norden Italiens bei Modena, Reggio nell’Emilia und Parma angesiedelt. Dort erinnerte noch in langobardischer Zeit der Ortsname Taivalo, heute San Giovanni in Persiceto, an sie.[2]

“eorum cateruis subito uisis certare comminus dux cautissimus parans adortusque nationis utriusque grassatores minantes etiam tum acerba, trucidasset omnes ad unum, ut ne nuntius quidem cladis post appareret, ni cum aliis multis perempto Farnobio, metuendo antehac incensore turbarum, obtestatus prece impensa superstitibus pepercisset, uiuosque omnes circa Mutinam Regiumque et Parmam Italica oppida, rura culturos exterminavit.[3]

„Bei dem plötzlichen Anblick dieser feindlichen Schaaren war der Feldherr sofort bereit, eine Schlacht zu liefern, griff die Avantgarde beider Stämme, die immerhin gefährliche Gegner waren, an und hätte alle bis auf den letzten Mann niedergemacht, wenn er nicht nach dem Tode des Farnobius, dieses gefürchteten Feindes, und vieler anderer, dem letzten Rest auf inständiges Flehen Pardon gewährt hätte: er verpflanzte sie als Colonen in die Umgegend der italienischen Städte Modena, Reggio und Parma.[4]

Andere Gefangene wurden nach Aquitanien deportiert, wo der Ortsname Tiffauges[7] noch an sie erinnert.[1]

Anmerkungen

  1. 1,0 1,1 1,2 Herwig Wolfram: Farnobius. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 8, Walter de Gruyter, Berlin/New York 1994, ISBN 3-11-013188-9, S. 238. (books.google.de).
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Herwig Wolfram: Die Goten. 4. Auflage. C. H. Beck, München 2001, ISBN 3-406-33733-3, S. 72, S. 100–101 und S. 130–131.
  3. 3,0 3,1 3,2 Ammianus Marcellinus 31, 4 und 9. In: Wolfgang Seyfarth (Hrsg.): Ammiani Marcellini Rervm gestarvm libri qvi svpersvnt. In: Bibliotheca scriptorvm Graecorvm et Romanorvm Tevbneriana. Band 2, Neuauflage, De Gruyter, Berlin 1999, ISBN 3-519-01977-9, (a) Amm. 31 4,12: S. 170, (b) Amm. 31 9,3: S. 181, (c) Amm. 31 9,4: S. 182.
  4. 4,0 4,1 4,2 David Coste (Übers.): Auszüge aus Ammianus Marcellinus. In: Die Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit. Zweite Gesamtausgabe. Urzeit. 2. Auflage. Band 3. Leipzig 1884 (archive.org – [a] S. 83–84, [b]/[c] S. 95).
  5. Der antike Hebrus: Joachim Szidat: Historischer Kommentar zu Ammianus Marcellinus Buch XX–XXI: Die Konfrontation. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1996, ISBN 3-515-06570-9, S. 103.
  6. Die so genannten ‘Pforten Trajans’ an der Via militaris (beim heutigen Kapudžik): vgl. Edgar Hösch: Geschichte der Balkanländer: von der Frühzeit bis zur Gegenwart. C. H. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57299-9, S. 20.
  7. Hannsferdinand Döbler: Die Germanen. Orbis, 2000, ISBN 3-572-01157-4, S. 261.

Literatur

  • Herwig Wolfram: Farnobius. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 8, Walter de Gruyter, Berlin/New York 1994, ISBN 3-11-013188-9, S. 238. (books.google.de).
  • Arnold Hugh Martin Jones, John Robert Martindale, John Morris: Farnobius. In: The Prosopography of the Later Roman Empire (PLRE). Band 1, Cambridge University Press, Cambridge 1971, ISBN 0-521-07233-6, S. 324 (online).

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