Bilwis

Bilwis (auch Bilwiß, Bilwiz (mittelhochdeutsch), Belewitte (mittelniederdeutsch), Bihlweise, Bilweis, Willeweis, Bulwechs (männlich), Bulwechsin (weiblich), Bilmesschnitter, Pilwiz, Pilwis, Pilewis, Pilwihten, Pilfas etc.) ist die Bezeichnung für ein gutartiges (oder bösartiges), weibliches (oder männliches) mythisches Wesen, das je nach geografischen und historischen Gegebenheiten mal als Naturgeist, mal als Hausgeist und mal als Dämon beschrieben wurde.

Etymologie

In Deutsche Mythologie (Jacob Grimm) werden auf sechs Seiten Variationen des Namens und Interpretationen des Begriffes von verschiedenen Autoren aufgelistet – und wiederum in Frage gestellt. Mehrere Autoren vermuten – besonders für den Südostteil Deutschlands und im Zusammenhang von bilweichs, bilweichszopf und Weichselzopf – ein „plagendes, schreckendes, Haar und Bart wirrendes, getraide zerschneides Gespenst, meist in weiblicher gestalt“.[1]
Noch weiter östlich, in Polen, bezeichnet bialowieszczka eine weise Zauberin, weshalb auch Vermutungen über einen slawischen Ursprung angestellt wurden.[1]

Beginnend mit den frühesten Erwähnungen erfolgt bei Grimm bereits die Feststellung, dass „... die wechselnde Form verräth, dass man das wort schon im 13. 14. jh. nicht mehr verstand;...“ (S. 441).[1]

Varianten

Geografische und zeitliche Variationen sind (alphabetisch):
Beeldwit,[2] Belewitte (mittelniederdeutsch),[1] Belewitten (niedersächsisch),[2] Bihlweise (Plural: Bihlweisen; Mark Brandenburg),[2] Bilmesschnitter (erweitert; Korndämon), Bilweichs,[1] Bilwechs,[1] Bilweis, Bilwicht,[1] Bilwiht,[1] Bilbze,[1] Bilwis, Bilwiß, Bilwitz (mittelhochdeutsch),[2] Bilwiz,[2] Bulwechs (männlich),[2] Bulwechsin (weiblich), Pelewysen (Plural; 15. Jahrh.),[1][2] Pelwit,[2] Pilbis,[2] Pilbiszote (erweitert, eine Art Nachtmahr),[2] Pilbiz,[1] Pilewis, Pilfas, Pilnitis,[2] Pilnihts,[2] Pilweise,[3] Pilwith,[1] Pilwis, Pilwit,[2] Pilwiz[2], Willeweis, Wilwis[1].

Elbisches Wesen

Bei Wolfram von Eschenbach ist der Wilwis ein elfisches Wesen, das Menschen mit einem magischen Pfeil, dem "Bilwizschuß", lähmen kann. An anderer Stelle[1] ist Pilbis/Pilwiz ein elbisches Wesen, das – wie Waldgeister – einen Baum (pilbisbawm) bewohnt und dem man Opfer bringen muss.

Auch diskutiert wurde,[1] dass der Bilwis eine volkstümliche Variante eines älteren germanischen Fruchtbarkeitswesens sei und er wird auch mit den schadenbringenden Kräften des abnehmenden Mondes in Verbindung gebracht. Der Name Bilwis könnte mit Bil zusammenhängen, die ursprünglich eine alte nordische Mondgöttin war.

Korndämon

In Nordostdeutschland stellt der Bilwis einen wohltätigen Dämonen der Kornfelder dar, in Bayern hingegen ist er als Bilwes- oder Bilmesschnitter (Vogtland: bilverschnitter) ein schädigender Erntedämon.[4]

Richard Beitl sieht im Bilwis eine volksätiologische Erklärung für die Schneisen und Gänge im Getreidefeld, die durch Wildfraß (Hasen / Rehe) entstehen.[5] Der Bilwis schneidet dabei die Gänge mit Sicheln, die er an den Füßen trägt.[6] Eine solche Schneise wird deshalb als bilbez-/bilwetz-/bilfezschnitt bezeichnet.[1] In Kärnten wird der Bilwis auch als Personifikation des Wirbelwindes angesehen. In einigen Beschreibungen zeigen sich Ähnlichkeiten zur Kinderschreckfigur der Roggenmuhme[1], um „das meist barfuß gehende Dorfkind vor dem Betreten des Kornfeldes zu warnen“:[6] Der Bilwis schneide den Kindern die Füße ab, oder die Fußsehnen durch.[6]

Hexe oder Teufelswesen

In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts erscheint Pelewysen (Plural) als Synonym für Hexen.[1] Auch in schlesischen Sagen in diesem Zeitraum[3] wird Pilweise gleichbedeutend mit Hexe verwendet und in den gesammelten Sagen aus dem Orlagau von Wilhelm Börner (auch Boerner; 1788–1855) ist die Bezeichnung Bilbze[1] und im Hausbuch des Colerus (Mainz 1656) Bihlweisen für Hexe(n) zu finden.[1]

In Martin von Ambergs Gewissensspiegel, einem Beichtspiegel (1382) wird pilbis in der Bedeutung Teufel verwendet.[1]

Hausgeist

Voetius – und auch andere Autoren – verwenden die Begriffe beeldwit, belwit, pilewiz, bilvitra, bilehvit für gutartige Hausgeister.[1]

Literatur

  • Claude Lecouteux: Der Bilwiz. Überlegungen zu seiner Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte. In: Euphorion. Band 82, 1988, S. 238–250 (wieder in: Claude Lecouteux: Eine Welt im Abseits. Zur niederen Mythologie und Glaubenswelt des Mittelalters (= Quellen und Forschungen zur europäischen Ethnologie. Band 22). Dettelbach 2000, S. 75–90).
  • Lutz Mackensen: Bilwis. In: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Band 1, 1927, Sp. 1308–1324.
  • Leander Petzoldt: Bilwis. In: Leander Petzoldt: Kleines Lexikon der Dämonen und Elementargeister. 3. Auflage. München 1990, S. 41–43 (nach Lecouteux 1988 und Schmidt 1952).
  • Leopold Schmidt: Gestaltheiligkeit im bäuerlichen Arbeitsmythos (= Veröffentlichungen des Österreichischen Museums für Volkskunde. Band 1). Wien 1952, S. 130 ff.
  • Richard Beitl: Untersuchungen zur Mythologie des Kindes. Hrsg. von Bernd Rieken und Michael Simon. Waxmann, Münster / New York / München / Berlin 1933/2007, S. 68–75.

Einzelnachweise

  1. 1,00 1,01 1,02 1,03 1,04 1,05 1,06 1,07 1,08 1,09 1,10 1,11 1,12 1,13 1,14 1,15 1,16 1,17 1,18 1,19 1,20 1,21 Jacob Grimm Deutsche Mythologie 1. Band (2. Ausgabe), Dieterichsche Buchhandlung, Göttingen (1844), Seite 441-446
  2. 2,00 2,01 2,02 2,03 2,04 2,05 2,06 2,07 2,08 2,09 2,10 2,11 2,12 2,13 Konrad Schwenck: Die Mythologie der Slawen: für Gebildete und die studirende Jugend. J. D. Sauerländer, 1853, S. 85.
  3. 3,0 3,1 Dietmar Sauermann (Hrsg.): Legenden und Sagen aus der Grafschaft Glatz. Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, Husum 1999, S. 39 (Hexen in Habelschwerdt, 16. Mai, 1579)
  4. Unter den vielen Varianten gibt es auch die, dass es sich dabei um missgünstige Menschen handelt, die sich gelegentlich in diesen Dämon verwandeln, um anderen Menschen zu schaden.
  5. Richard Beitl: Untersuchungen zur Mythologie des Kindes. Hrsg.: Bernd Rieken und Michael Simon. Waxmann, Berlin 2007, S. 73.
  6. 6,0 6,1 6,2 Richard Beitl: Untersuchungen zur Mythologie des Kindes. Hrsg.: Bernd Rieken und Michael Simon. Waxmann, Berlin 2007, S. 73.

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