hominid oder hominin


Diese Frage sorgt sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Fachwelt oft für Verwirrung. Denn es geht um so abstrakte biologische Begriffe wie »Systematik« und »Taxonomie«, also um die korrekte Benennung oder Einordnung von Lebewesen und Fossilien oder die Darstellung komplexer, biologischer Verwandtschaftsbeziehungen im System des Lebens. Die Idee hinter der Taxonomie ist also, dass man für Lebewesen Namen verwenden sollte, die

1758, das Erscheinungsjahr von Systema Naturae, markiert den Beginn der modernen zoologischen Nomenklatur.

  1. nicht verwirrend sind,
  2. von allen verstanden werden und
  3. nur Ausdrücke gebraucht werden, die Informationen über evolutionäre und/oder morphologische Zusammenhänge kurz und knapp vermitteln.

Diese drei Punkte scheinen einleuchtend und nicht schwer umzusetzen zu sein, jedoch haben Wissenschaftler bis jetzt jede dieser 3 Zielsetzungen gründlich verfehlt. Die Verwirrung rührt daher, weil verschiedene wissenschaftliche Ausdrücke das selbe meinen können.

Zu Beginn müssen wir uns die Grundmodelle der Taxonomie anschauen. Das heutige System zur Einteilung der Lebewesen wurde von Carl von Linné im 18. Jahrhundert entwickelt, also lang bevor sich jemand ernsthafte Gedanken über Evolution oder über Verwandtschaftsverhältnisse unter Lebewesen machte. Linnaeus, so sein eigentlicher Name, schuf ein hierarchisches, sieben Stufen umfassendes System, um das Leben auf der Erde zu organisieren: Königreich, Stamm, Klasse, Ordnung, Familie, Gattung und Art. Das System scheint auf den ersten Blick logisch, hat aber einen gravierenden Mangel, denn keine dieser sieben Gruppen ist eindeutig definiert.

Die Biologen liegen sich z.B. seit über 100 Jahren in den Haaren, wenn es darum geht, was eine Art überhaupt ist. Die bis heute beste Definition scheint das »biologische« Artkonzept von Ernst Mayr zu sein. Es besagt, dass eine Art eine Gruppe natürlicher Populationen ist, die sich untereinander kreuzen können und von anderen Gruppen reproduktiv isoliert sind. Das Konzept funktioniert sehr gut und es ist vor allem überprüfbar (Überprüfbarkeit ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal allen wissenschaftlichen Arbeitens). Man bringt einfach die Geschlechter zweier Typen von Tieren zusammen und wartet ab, ob sie sich miteinander fortpflanzen können. Wenn ja, gehören beide zur gleichen Art. Wenn nicht, gehören sie eben zu verschiedenen Arten.

Das hört sich gut an, aber andererseits, wie wendet man das biologische Artkonzept auf asexuelle Arten oder auf fossile Arten an? Dann stellt sich als nächstes das Problem - selbst wenn man die Artfrage gelöst hat - wie gruppiert man Arten, um eine Klasse zu bilden? Wie gruppiert man Klassen, um eine Familie bilden usw?

Die Antwort ist recht simpel: Man sucht nach evolutionären Verwandtschaftsverhältnissen! Arten, die sich einen gemeinsamen Vorfahren teilen, würde man in die gleiche Klasse stellen. Klassen mit einem gemeinsamen Vorfahren gehören in die gleiche Familie. Und so weiter.

Jetzt wenden wir dieses Problem auf den Menschen und die Menschenaffen an: Menschen gehören zum Königreich: Tiere; Phylum: Chordatiere; Klasse: Säugetiere; Ordnung: Primaten - bis zu diesem Punkt erhält man nicht viel Widerspruch von den Wissenschaftlern. Aber was ist mit der Familie?

Nun, früher glaubte man (bis in die 1980er Jahre), Menschen würden sich von den Menschenaffen auf der systematischen Ebene der Familie unterscheiden. Das führte dazu, dass Menschen als »Hominoide« und Affen als »Anthropoiden« eingestuft wurden. So bezeichnet das Wort »Hominiden« eine Familie, die alle heute lebenden Menschen und ausgestorbenen Menschenarten umfasst, aber die Menschenaffen ausschließt. Viele Fachautoren verwenden in ihren Arbeiten auch heute noch die Bezeichnung »Hominiden«, gerade um diese Differenzierung anzudeuten, obgleich neue Forschungen zeigen, dass diese Differenzierung nicht mehr haltbar ist. (Hier wird auf den Unterschied zwischen Familie und Superfamilie nicht eingegangen. Der Unterschied zwischen diesen beiden systematischen Ebenen hat aber grundsätzlich ein ähnliches Problem.)

Arbeiten aus jüngster Zeit zeigen, dass Menschenaffen keine monophyletische Gruppe sind (in der alle Vertreter von einem einzigen Vorfahren abstammen), da Schimpansen und Gorillas näher mit dem Menschen verwandt sind, als mit dem Orang-Utan. Das würde bedeuten, legt man die strenge taxonomische Hierarchie zugrunde, dass Schimpansen und Gorillas Hominiden wären. Es gibt einige Fachleute, die den Ausdruck auch tatsächlich auf diese Weise verwenden - obgleich dies beim wissenschaftlich interessierten Laien für sehr viel Verwirrung sorgt. Wenn Schimpansen und Gorillas Hominiden sind, wie nennen wir dann die Gruppe, die zu den Menschen führt, aber nicht zu Schimpansen und Gorillas?

Hier kommt eine weitere taxonomische Ebene ins Spiel, die man »Tribus« (oder Gattungsgruppe) nennt und die zwischen »Familie« und »Klasse« liegt. Genannt sei hier der Tribus Panini (Schimpansen), der Tribus Gorillini (Gorillas) und der Tribus Hominini (Menschen). Als Hominini bezeichnet man also Menschenaffen, die die Arten der Gattung Homo einschließlich des heute lebenden Menschen (Homo sapiens) umfasst sowie die ausgestorbenen Vorfahren dieser Gattung. Zu den Hominini werden heute neben den Arten der Gattung Homo folgende Gattungen gezählt:

  • Sahelanthropus (umstritten)
  • Orrorin (umstritten)
  • Ardipithecus
  • Australopithecus / Kenyanthropus
  • Paranthropus

Wenn also Wissenschaftler heute das Wort »hominin« verwenden, so meinen sie so ziemlich das gleiche, was sie vor zwanzig Jahren mit »hominid« meinten. Selbstverständlich gibt es auch heute noch viele Wissenschaftler, die die Bezeichnungen genau so verwenden wie vor zwanzig Jahren. Und viele Arbeiten, die noch bis vor einigen Jahren veröffentlicht wurden, verwenden ebenfalls die alte Terminologie, ohne deswegen falsch oder veraltet zu sein.

Besonders die Paläoanthropologen mussten wegen dieser Verwirrungen viel Kritik einstecken, auch von Kollegen aus anderen Fachbereichen. Doch auch diese Wissenschaftler sind mit ihren taxonomischen Problemen nicht viel besser dran. Sie profitieren einfach von der Tatsache, dass es bei der Erforschung anderer, nicht-menschlicher Spezies oft einfacher ist, untereinander zu einer Einigung zu gelangen. In der Paläoanthropologie gibt es jedoch sehr viele, sehr unterschiedliche Ansichten über den Verlauf der menschlichen Evolution.

Doch auch wenn man sich einen anderen Themenbereich anschaut, wie z.B. die Dinosaurier, so ist die taxonomische Situation ähnlich verwirrend. Die Wissenschaftler müssen in diesem Bereich also wirklich für Ordnung sorgen.



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